Joachim Mohr   Mathematik Musik Delphi

Das pythagoreische und syntonische Komma

Kurzfassung: pythagoreisches Komma = 12 reine Quinten - 7 Oktaven = 23,5 Cent
syntonisches Komma = 4 reine Quinten - 2 Oktaven - reine große Terz = 21,5 Cent
Mercator-Komma = Oktave : 53 = 22,6 Cent, die ideale Meßgröße für Intervalle.

Das pythagoreische Komma

Wir gehen aus vom Quintenzirkel
... as es b f c g d a e h fis cis gis ... (Frequenzverhältnis benachbarter Quinten stets 3/2). Wir oktavieren passend die Töne. Dann unterscheiden sich as und gis um das pythagoreische Komma. Genauer: Geht man von as aus 12 Quinten nach oben und 7 Oktaven nach unten, so erhält man gis. Das Frequenzverhältnis des pythagoreischen Kommas ist also (3/2)12:27= 531441/524288 mit der Größe von 23,43 Cent.

Cent ist eine Größeneinheit für Intervalle, definiert durch
Oktave = 1200 Cent bzw. Halbton = 100 Cent (Berechnung: Lektion 4.)
Während Intervalle und ihre Größen in Cent addiert werden, müssen die entsprechenden Frequenzverhältnisse multipliziert werden.

Bei modernen Klavieren sind deshalb die Quinten um 1/12 des pythagoreischen Kommas verkleinert, so dass gis und as zusammenfallen. Das moderne Klavier ist gleichstufig gestimmt. Die Verstimmung der Quinten um 2 Cent ist vernachlässigbar, jedoch das Problem mit der reinen Terz nicht behoben, was viele heutige Musiker nicht (mehr) wissen. Der Cellist Pablo Casals schreibt dazu in "The Way They Play" (1972):
Erschrecke nicht, wenn Du eine andere Intonation als das Klavier hast. Das liegt am Klavier, das verstimmt ist. Das Klavier mit seiner gleichstufigen Stimmung ist ein Kompromiss in der Intonation.
Die gleichstufige Stimmung ist erst nach einem langen Entwicklungsprozess vom 16. Jahrhundert (Entdeckung der Mehrstimmigkeit) über die mitteltönigen und wohltemperierten Stimmungen bis Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden. (Erst 1917 konnte man mit physikalischen Methoden exakt die gleichstufige Stimmung verwirklichen.)

Das syntonische Komma

Das syntonische Komma spielt bei der reinen Terz zentrale Rolle.
Die vier Quinten c g d a e haben oktaviert das Frequenzverhältnis (3/2)4:22=81/64 mit der Größe von 408 Cent.
Das Intervall c-e ist die pythagoreische Terz mit dem Frequenzverhältnis 81/64 und klingt unrein. Die reine Terz hat das Frequenzverhältnis 5/4 mit der Größe von 386 Cent und unterscheidet sich von der pythagoreischen Terz um das syntonische Komma mit dem Frequenzverhältnis 81/64:5/4=81/80 entsprechend 21,51 Cent.

Einschub: Die Eulerschreibweise

Die Eulerschreibweise mit "Tiefkomma" und "Hochkomma" ist hervorragend geeignet, die Besonderheiten der reinen Intonation zu beschreiben. Wie die Vorzeichen in der Notenschrift (# und b) andeuten, dass ein Ton um einen Halbton erhöht bzw. erniedrigt wird, handelt es sich bei der Eulerschreibweise um die Veränderung eines Tones um ein Komma.
Die große pythagoreische Terz c-e ist also unrein. Um sie rein zu intoniere müssen wir e um ein syntonisches Komma erniedrigen.
Wir schreiben dafür ,e ("Tiefkomma e").
Der Ton ,e erklingt also ein syntonisches Komma tiefer als der Ton e.
Die Terz c-,e ist dann eine reine Terz (Frequenzverhältnis 5/4). Dasselbe gilt für die Terzen f-,a und g-,h.
cgdae.gif
spiele die vier Quinten c g d a e
okokgt.gif
spiele zwei Oktaven und dann die reine Terz c c c ,e
spiele erstes e, zweites ,e und beide gleichzeitig
c_e.gif spiele die pythagoreische Terz c-e (klingt rau)
spiele die Reine Terz c-,e

Das Mercator-Komma

Mit dem Aufkommen der Mehrstimmigkeit lehrte man in Musikschulen, dass man die große Terz rein intonieren kann und es dadurch Abweichungen von der pythagoreischen Stimmung gibt. Es wurde gelehrt, dass die Tonleiter so zu intonieren ist, dass man den folgenden Intervalle Teile zuordnen kann. (Ein Teil entspricht hier einer Größe, die dem syntonischen Komma bzw. dem fast gleich großen pythagoreischen Komma nahekommt.)
Notiert man den Abstand der Tonleiter von c aus in Klammer und den Abstand zwischen den Tönen tiefer geschrieben, so lautet die C-Dur-Tonleiter:

c(0) 9 d(9) 8 ,e(17) 5 f(22) 9 g(31) 8 ,a(39) 9 ,h(48) 5 c(53).

(Die Eulerschreibweise ,e und ,a sowie ,h bedeutet, dass die Töne ein Komma tiefer erklingen.)
Das Mercator-Komma ist also k=Oktave : 53 = 23,6 Cent. Seine Größe weicht minimal vom syntonischen und pythagoreischen Komma ab.
Man hat hier einen übersichtlichen Größenvergleich von Intervallen. Er ist wesentlich Übersichtlicher als der Größenvergleich in Cent. Anmerkung
Weiter: Die reine Stimmung