Die reine Stimmung hat den großen Vorteil
"schöner" Zusammenklänge, aber den Nachteil, dass bei
Modulationen sich "unschöne" Akkorde ergeben. In Lektion 2
wurde die C-Dur-Tonleiter berechnet:
Beim ersten Lesen können
Sie die Eulersche Schreibweise (,e = Tiefkomma e, 'es Hochkomma es usw.)
überlesen.
c
d
,e
f
g
,a
,h
c
264
297
330
352
396
440
495
528
Die Dur-Dreiklänge von Tonika c' - ,e' - g', Dominante g'- ,h' - d''
und Subdominante f' - ,a' - c'' erklingen rein.
Wir können es nochmal überprüfen, indem wir die
Frequenzverhältnisse berechnen:
,e 330 5 ,h 495 5 ,a 440 5
—— = ——— = -, —— = ——— = - und —— = ——— = -
c 264 4 g 396 4 f 352 4
(große Terz = 386 Cent)
g 396 6 d 594 6 c 528 6
—— = ——— = -, ——— = ——— = - und —— = ——— = -
,e 330 5 ,h 495 5 ,a 440 5
(kleine Terz = 316 Cent)
Moduliert man dann nach F-Dur und lässt in F-Dur den
Subdominantakkord bd'f' erklingen, so klingt dieser unrein.
Man sieht es hier sofort, wenn man die kleine Terz d'f'
nachrechnet:
f 352 32
— = ——— = ——
d 297 27
(unreine kleine Terz = 294 Cent, 22 Cent Abweichung vom reinen Intervall)
Vergleichen Sie den unreinen Akkord
bd'f' (unrein)
mit dem reinen Akkord!
"b,d'f' (rein in F-Dur)
Beim reinen Akkord musste der Ton d' um 22 Cent zu ,d'
erniedrigt werden (22 Cent ist etwa 1/5 Halbton).
Bei jeder Modulation in die Dominante oder Subdominante
ändern sich Töne nicht nur um einen halben Ton (,h in
,b oder f in fis), sondern gleichzeitig auch ein Ton um 22 Cent
(wie hier der Ton d' zu ,d'). Beim Chorgesang passen die
SängerInnen die Töne vom Hören her an, bei
Tasteninstrumenten ist dies nicht möglich.
Weitere Erläuterungen
Nach langen Suchen, wie man spielbare Tasteninstrumente bauen
muss, kam man über mitteltönige und wohltemperierten
Stimmungen schließlich zur gleichförmigen Stimmung.
Bei ihr klingen alle Intervalle außer der Oktave in allen
Tonarten nicht mehr rein, aber auch nicht mehr unbrauchbar.
Das ist der Kompromiss, den man bei Tasteninstrumenten machen
muss, wenn alle Tonarten spielbar sein sollen.
Man muss sich hierbei jedoch klar sein, dass
hörpsychologisch diese Intervalle nicht exakt zu treffen
sind. Das heißt:
Zwei musikalischen Sänger können eine reine
große Terz leicht intonieren, die "geschärfte"
gleichförmige große Terz nur ungefähr ... eben
nur als "geschärfte" - etwas größere- reine
Terz. Siehe dazu auch den Abschnitt hier.
Bei der gleichstufigen Tonleiter ist die Oktave als einziges
Intervall rein. Die (reine) Oktave wird in 12 gleiche
Halbtöne h aufgeteilt.
1 Oktave = 1 200 Cent, ein Halbton h = 100 Cent mit dem
Frequenzverhältnis
100 1
———— ——
1200 12 12-
x = 2 = 2 = \/2 (Die "zwölfte Wurzel" von 2)
Dieses
Frequenzverhälnis könnte man auch folgendermaßen
herleiten:
Bei Intervallen wird addiert: h + h + ... + h (12 Mal) = 12h =
Ok.
Bei Frequenzverhältnissen wird multipliziert;
x·x·...·x (12 Mal) = x12 =2.
Folglich ist das Frequenzverhältnis des Halbtons h die
Zahl x, deren 12. Potenz 2 ist. Diese nennt man 12. Wurzel von 2:
1
——
12—— 12
x = \/ 2 = 2 = 1,059 463 ...
Die 12 Halbtöne sind dann bezogen auf den Grundton im
Centmaß
rein gleichstufig
c 0 c 0
'des 111 des 100
d 204 d 200
'es 316 es 300
,e 386 e 400
f 498 f 500
,fis 590 fis 600
g' 702 g 700
'as 814 as 800
,a 884 a 900
'b 1018 b 1000
,h 1088 h 1100
c 1200 c 1200
(Die 12 Töne der reinen Tonleiter sind die
der C-Dur und c-moll-Tonleiter. Zusätzlich wurde 'des und
,fis noch so zugefügt, dass 'des-f und d-,fis reine Terzen
sind.)
Bemerkenswert beim Vergleich der gleichstufigen Stimmung mit
der reinen Stimmung ist:
Die Oktaven sind absolut rein.
Die Quinten sind fast rein (Abweichung 2 Cent).
Die großen Terzen sind um 14 Cent zu hoch, sie sind
"geschärft".
Die kleinen Terzen sind um 16 Cent zu tief.
Alle Tonarten erklingen gleich (brauchbar).
Damit ist die gleichstufige Stimmung vollständig
erklärt.
Diese Lektion scheint irgendwie zu kurz gefaßt.
Tatsächlich wird in der gleichstufigen Stimmung alles
wesentlich vereinfacht ... zu sehr vereinfacht! Zum Glück
wird in unserer Noteschrift zum Beispiel noch zwischen Cis und Des unterschieden, so dass ein
gewisser Blick für die feinen Unterschiede bewahrt bleibt.
(Wenn aber in einer Ausgabe zum wohltemperierten Klavier im
es-moll-Präludium der neapolitanische Sextakkord in
E-Dur statt Fes-Dur notiert wird,
wird eine Ignoranz wie bei den Zwölftönern
demonstriert.)
Diese Lektionen sollen Ihnen den Blick für die feinen Unterschiede schärfen.
Wir haben schon festgestellt: Intervalle kann man
addieren, also auch vervielfachen. Man kann aber Intervalle vom Gehör her
nicht beliebig teilen.
Die "halbe Quinte" wäre zwischen kleiner und großer Terz anzusiedeln und ist im Stimmungssystem weder der
pythagoreischen noch der mitteltönigen, reinen oder gleichstufigen Stimmung ein vorkommendes Intervall.
Die Oktave umfaßt 1200 Cent. Die halbe Oktave also 600
Cent.
In der gleichstufigen Stimmung bedeutet dies für folgende
Intervalle:
hf = eine verminderte Quinte = 600 Cent
(Frequenzverhältnis irrational).
fh = übermäßige Quarte = 600 Cent.
Dieses Intervall kann kein Mensch (auch kein musikalischer)
exakt treffen, es sei denn, er hört es zuvor (vom
gleichstufig gestimmten Klavier) und singt es nach dem
Gedächtnis.
Wir wollen im folgenden den "Tritonus" in der reinen Stimmung
darstellen:
(Gerechnet wird mit dem Halbton H = 112 Cent, dem
großen Ganzton G = 204 Cent und dem kleinen
Ganzton G- = 182 Cent).
In C-Dur ist die verminderte Quinte ,hf= H + G + (G-) + H =
610 Cent (Frequenzverhältnis = 64/45)
und die übermäßige Quarte f,h = G + (G-) + G =
590 Cent (Frequenzverhältnis 45/32).
Die Differenz ist H + H - G = 20 Cent (Frequenzverhältnis
2048/2025).
In der pythagoreischen Stimmung beträgt der Tritonus G + G
+ G = 612 Cent (Frequenzverhältnis 729/512).
Man sieht hier übrigens, wie nichtssagend
Frequenzverhältnisse, aber wie aussagekräftig die
Centangabe ist.
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Lektion 1 Töne, Intervalle, Frequenzen und Frequenzverhältnisse