Joachim Mohr Mathematik Musik
Bettina Gratzki: Die reine Intonation im Chorgesang
Verlag für systematische Musikwissenschaft GmbH Bonn 1993
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Exzerpt
S. 7 Einleitung
Nur auf Grundlage einer akustisch fundierten Musiktheorie ... ist reine Intonation lehrbar und lernbar.
Bettina Gratzki verwendet ausschließlich das Tonnetz. Die diatonische Durtonleiter wird bei ihr geschrieben als
c d e f g a h c
- - -
Im folgenden schreibe ich dafür
c d ,e f g ,a ,h c
Damit wird angedeutet, dass in C-Dur bei der reine Quintenfolge c-g-d-a-e-h
die Töne ,e und ,a sowie ,h ein syntonische Komma tiefer liegen - vor ihnen steht ein Tiefkomma.
Töne, die ein Komma höher liegen werden mit einem Hochkomma davor notiert.
Der Akkord der zweiten Stufe klingt unrein
und wird erst rein, wenn er folgendermaßen intoniert wird
,d f ,a (d wird ein Komma tiefer intoniert) oder
d 'f a (f und a werden ein Komma höher intoniert)
Man beachte dabei, dass bei einer Modulation von zum Beispiel C-Dur
nach F-Dur sich ein Ton um einen chromatischen Halbton (,h in b) und ein Ton um ein syntonisches Komma (d in ,d) verändert.
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Es-Dur |
es |
f |
,g |
as |
b |
,c |
,d |
es |
,c-moll |
,c |
,d |
es |
,f |
,g |
as |
b |
,c |
B-Dur |
b |
c |
,d |
es |
f |
,g |
,a |
b |
,g-moll |
,g |
,a |
b |
,c |
,d |
es |
f |
,g |
F-Dur |
f |
g |
,a |
b |
c |
,d |
,e |
f |
,d-moll |
,d |
,e |
f |
,g |
,a |
b |
c |
d |
C-Dur |
c |
d |
,e |
f |
g |
,a |
,h |
c |
,a-moll |
,a |
,h |
c |
,d |
,e |
f |
g |
a |
G-Dur |
g |
a |
,h |
c |
d |
,e |
,fis |
g |
,e-moll |
,e |
,fis |
g |
,a |
,h |
c |
d |
e |
D-Dur |
d |
e |
,fis |
g |
a |
,h |
,cis |
d |
,h-moll |
,h |
,cis |
d |
,e |
,fis |
g |
a |
,h |
A-Dur |
a |
h |
,cis |
d |
e |
,fis |
,gis |
a |
,fis-moll |
,fis |
,gis |
a |
,h |
,cis |
d |
e |
,fis |
... |
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Alternativ zum Beispiel |
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c-moll |
c |
d |
'es |
f |
g |
'as |
'b |
c |
S.11 Die drei Stimmungsprinzipien
Die reine Stimmung
siehe
hier.
Bettina Gratzki nimmt zu den reinen Intervallen anders als im Quint-Terz-Sytem noch die reine Septime hinzu.
Die pythagoreische Stimmung
Die sieben Halbtöne der Durtonleiter ergeben sich aus der reinen Quintenfolge
f c g d a e h.
In der Einstimmigkeit hat die pythagoreische Stimmung eine gewisse Berechtigung. Im Chorgesang spielt sie
keine Rolle.
Die Temperierte Stimmung
siehe
gleichstufige Stimmung
S. 24 Das Stimmungssystem des Sängers
Intervalle in einfachen Verhältnissen hören wir als konsonant.
Dass wir zum Beispiel eine temperierte Terz mit kompliziertem Verhältnis trozdem als konsonant empfinden, liegt an der
bemerkenswerten Eigenschaft des Ohres, das Intervall
zurecht zu hören. Allerdings hören wir dabei Schwebungen.
(Wir hören das reine Intervall mehr oder weniger schnell laut und leise werden. Die Obertöne "klirren".)
Sänger und Geiger haben ein inneres Maß für einfache Proportionen. Den Klang eines reinen Intervalls kann man in
höchster Reinheit bescheinigen. Der Klang eines abweichenden Intervalls flackert, es stellen sich Schwebungen ein
und er wird im Harmonischen ärmer.
Gegenwärtig steht der reinen Stimmung eine an der gleichstufigen Stimmung orientierte Musiktheorie im Wege.
Bei den Alten war es eine Selbstverständlichkeit, dass es sich bei
jeder Temperatur um eine Abweichung vom Ideal der
reinen Stimmung handelts. Sie ist der Tribut, den man machen muss, um Instrumente spielbar zu machen. Die freie Intonation
weckt kein Bedürfnis nach Temperierung.
Die reine Intonation muss deshalb das Ziel der Ausbildung der Sänger sein.
Reine Stimmung schließt atonale Musik aus. Diese wird in diesem Buch nicht behandelt.
S. 27 Vibrato
... [viele historische Zitate] ...
Fazit: Für den Solisten umstritten, im Chorgesang unangebracht.
S. 131 Relative Solmisation und reine Stimmung
Knapp sechshundert Jahre herrschte ... das Hexachordsystem
Guido von Arezzos.
Auf den Tönen c, f und g konnte die Solmisationsreihe ut (oder do) - re - mi - fa -sol -la aufgebaut werden...
Nur die relative Solmisation garantiert die reine Intonation. Am Beispiel der von
John Curven ins Leben gerufenen
Tonic Solfa-Mathode [Curven beruft sich dabei auf eine von
Sarah Ann Glover entwickelte Methode] werden die
Möglichkeiten und Grenzen der relativen Solmisation in Bezug auf die reine Stimmung aufgezeigt.
S. 36 Großer Halbton, kleiner Halbton
Der chromatische Halbton ergänzt den diatonischen Halbton mit dem Frequenzverhältnis
16/
15 zum Ganzton folgendermaßen.
Ganzton | in Cent (gerundet) | Chromatischer Halbton | In Cent | Diatonischer Halbton | In Cent |
9/8 | 204 | 135/128 | 92 | 16/15 | 112 |
10/9 | 182 | 25/24 | 71 | 16/15 | 112 |
Der Chromatische Halbton ist also kleiner als der diatonische Halbton.
diatonischer Halbton
G GIS A
|———|———|———|———|———|———|———|———|———|
G AS A
chromatischer Halbton
Die Gesangsschulen gaben ihren Schülern folgende Faustregel (Regel des Weißenburger Kantors Maternus Beringer, 1610).
Halbtöne auf derselben Linie im Notensystem sind als kleiner Halbton (semitus minor) zu intonieren. Halbtöne auf
benachbarten Linien aber als großer Halbton (semitonus major).
Historischer Überblick mit der Bemerkung, dass auf die verschiedenartigen Halbtöne großer Wert gelegt wurde,
die zwei verschiedenen Ganztöne aber eher selten unterschieden werden
- wohl eine Folge der gebräuchlichen mitteltönigen Stimmung.
Viele Beispiele zur Verschiedenheit zum Beispiel von
Cis und Des bzw.
Unterschied zwischen Fis und Ges.
Auch Leopold Mozart lehrt seinem Schüler Thomas Attwood
den Unterschied zwischen kleinem und großem Halbton siehe dazu
"
Passus Duriusculus ".
S. 63 konkurrierende Stimmungsprinzipien
Im besonders im 19. Jahrhundert heftig umstrittene Frage war, ob das Melos, die Horizontale, eine pythagoreische oder
- etwas gemildert - eine gleichstufige und der
Zusammenklang, die Vertikale, eine harmonisch reine Anstimmung erfordere.
Hauptunterschied beider Stimmungen sind die Terz und der diatonische Halbton.
| Terz | diatonischer Halbton |
rein | 386 Cent | 112 Cent |
gleichstufig | 400 Cent | 100 Cent |
pythagoreisch | 408 Cent | 90 Cent |
Oettinger, Hauptmann und Helmholz betrachten als Grundlage der Intonation nur die reine Stimmung.
Hövker, Jonquiére, Engel, Röntgen und Stephani bestehen auf einem Stimmungsdualismus.
Geschärfte Leittöne, etwa in der Harmoniefolge Dominante - Tonika, trüben den Gesamteindruck erheblich.
Alten Schulen empfehlen durchweg die reine Terzen und den großen diatonischen Halbton.
Es wird der Verdacht geäußert, dass geschärfte Leittöne das Detonieren bewirken und nicht verhindern.
S. 73 Singen ohne Grenzen
Die Flexibilität der Stimme
[Zitate von Zarlino, Sethus Calvius, um 1600]
Die menschliche Stimme kann die feinen Tonhöhennuancen realisieren. Dies erfordert eine harmonische Analyse.
Die Diskussion des Detonierens bei der Verwendung der reinen Septime (C. Kistler, 1886) überspringe ich, da
die reine Septime nur in Ausnahmefällen verwendet wird.
S. 76 Kommaverirrungen
(A.v.Oettingen,1913, nannte es so.)
Beispiel: Die Verwendung der II. Stufe
(Notenbilder,
Klänge und
Frequenzberechnungen mit
TTmusik)
In C-Dur: Akkord "f'ad" auf der II. Stufe klingt unrein
(Oettinger schlägt diese Intonation vor)
T Akkord Frequenzen Proportionen Anhören (T=c bedeutet Tonart C-Dur)
c e1gc 330 396 528 6/5 4/3
f1ac 352 440 528 5/4 6/5 mp3
f1ad 352 440 594 5/4 27/20 unrein !!!
g1hd 396 495 594 5/4 6/5 ogg
e1gc 330 396 528 6/5 4/3
Gleichstufig: Alles klingt ein bisschen unrein
T Akkord Frequenzen Anhören (T=m@ bedeutet Tonart gleichstufig)
m@ e1gc 332,6 395,6 528
f1ac 352,4 444 528 mp3
f1ad 352,4 444 592,7
g1hd 395,6 498,4 592,7 ogg
e1gc 332,6 395,6 528
Modulation in Richtung Subdominante
(Gratzki schlägt diese Intonation vor)
T Akkord Frequenzen Proportionen Anhören
c e1gc 330 396 528 6/5 4/3
f1ac 352 440 528 5/4 6/5 mp3
f f1ad 352 440 586,7 5/4 4/3 Vorgabe F-Dur: Das d wird zu d-
c g1hd 396 495 594 5/4 6/5 Achtung: Dieses d muss höher gesungen werden
e1gc 330 396 528 6/5 4/3 ogg
Modulation in Richtung Dominante, auch eine Möglichkeit
(von B. Gratzki weniger empfohlen)
T Akkord Frequenzen Proportionen Anhören
c e1gc 330 396 528 6/5 4/3
f1ac 352 440 528 5/4 6/5 mp3
g f1ad 356,4 445,5 594 5/4 4/3 Vorgabe G-Dur/g-moll: Das f wird zu f+, das a zu a+
c g1hd 396 495 594 5/4 6/5 ogg
e1gc 330 396 528 6/5 4/3
Die Kommafalle
Modulation in Richtung Subdominante,
aber das d im vorletzten Takt wird ein Komma zu tief gesungen
c c1gc 330 396 528 6/5 4/3 Anhören
f1ac 352 440 528 5/4 6/5
f f1ad 352 440 586,7 5/4 4/3 mp3
c g1-h-d- 391,1 488,9 586,7 5/4 6/5
e1-g-c- 325,9 391,1 521,5 6/5 4/3 ogg
c e1-g-c- 325,9 391,1 521,5 6/5 4/3
f1-a-c- 347,7 434,6 521,5 5/4 6/5
f f1-a-d- 347,7 434,6 579,4 5/4 4/3
c g1——h——d—— 386,3 482,9 579,4 5/4 6/5
e1——g——c—— 321,9 386,3 515,0 6/5 4/3
u.s.w.
c c1gc 330 396 528 6/5 4/3
S.84 Ein weiteres Beispiel für eine Kommafalle.
Die Tonart wechselt von Dur nach Moll (zum Beispiel C-Dur nach c-moll), dann in die Paralleltonart
(c-moll nach Es-Dur) und zurück über die Qintenfolge (Es-Dur, B-Dur, F-Dur und schließlich C-Dur).
Die Analyse ergibt die Kommaverschiebung
(Die Änderung um ein syntonisches Komma wird angegeben):
C-Dur c d ,e f g ,a ,h c
c-moll c d 'es f g 'as 'b c
'Es-Dur 'es 'f g 'as b c d 'es
'B-Dur ...
'F-Dur ...
'C-Dur ... (Man landet ein syntonisches Komma zu hoch)
Ausführliche Diskussion zu Mendelsohns Ruhetal
hier.
S. 89 Max Planck behauptete nach Hörproben im Konzertsaal, beim Chorgesang die gleichstufige Stimmung
gehört zu haben, relativierte aber seine Beobachtung, in dem er von Situationen berichtete, in denen die Chorsänger
zur reinen Intonation tendierten.
Folgende Punkte nennt Max Planck für die reine Stimmung förderlich:
- das Aufeinanderhören der Stimmen
- die positive wache Einstellung des Sängers
- chorisches Atmen (hält die Harmonie in Fluss)
- reines Anstimmen zu Beginn des Stückes.
Die nächsten Punkte beziehen sich auf die Komposition:
- Pianissimopassagen (fördert das Aufeinanderhören)
- Töne in bequemen Stimmlagen
- konsonante Dreiklänge in möglichst langsamen Wechsel.
Es folgen Untersuchungen, bei den gute Chöre zu hoch oder zu tief enden.
Beispiel (von Max Planck und dem Dirigenten Adolf Schulze 1893 diskutiert):
Heinrich Schütz "Verleih uns Frieden gnädiglich". Bei nebenstehender
Akkordfolge ("So schlaf ich ein ...") sank der Chor merklich.
Anhören:
mp3
ogg
Schlußakkord zu tief: 108,6 163 271,6 325,9 434,6
mp3
ogg
Schlußakkord richtig: 110 165 275 330 440
mp3
ogg
Die Feinanalyse ergibt folgendes:
TA D Akkord Frequenzen Frequenzverhältnisse
c cceg 132 264 330 396 2/1 5/4 6/5
a Aec#ea 110 165 275 330 440 3/2 5/3 6/5 4/3
d
g Gd1gb 97,8 293,3 391,1 469,3 3/1 4/3 6/5
d
a Aec#ea 110 165 275 330 440 3/2 5/3 6/5 4/3
d ddf#a 146,7 293,3 366,7 440 2/1 5/4 6/5
g gdgh 195,6 293,3 391,1 488,9 3/2 4/3 5/4
e eheg#h 163 244,4 325,9 407,4 488,9 3/2 4/3 5/4 6/5
a
d df1a 144,9 347,7 434,6 12/5 5/4
a
e eheg#h 163 244,4 325,9 407,4 488,9 3/2 4/3 5/4 6/5
a Aec#ea 108,6 163 271,6 325,9 434,6 3/2 5/3 6/5 4/3
Modulation | "-" bedeutet in subdominatischer Richtung, "+" in dominatischer Richtung |
c nach a | - |
a über d nach g | - |
g über d nach a | + |
a nach d | - |
d nach g | - |
g nach e | - |
e über a nach d | - |
d über a nach e | + |
e nach a | - |
Zu der Modulationrichtung:
Quinte abwärts oder kleine Terz abwärts (Zum Beispiel c über a nach f): Richtung Subdominate (-)
Quinte aufwärts oder große Terz aufwärts (Zum Beispiel c über e nach g): Richtung Doninate (+)
Kleine Terz abwärts Dur nach Dur (C-Dur über a-moll nach A-Dur) wirkt ebenfalls subdominatisch, wenn in der
Zieltonart sich der Tonikadreiklang von moll und Dur sich nur in der Terz untescheidet (moll: A-C-E; Dur A-Cis-E)
Analog: große Terz aufwärts (C-Dur nach E-Moll, bzw. E-Dur) wird dominantisch.
Man sieht: Vom 2. Akkord, dem A-Dur-Akkord, bis zum letzten Akkord, wieder A-Dur, sind mehr Modulationen
in subdominatischer Richtung als in dominatischer Richtung durchschritten worden. Dies bewirkt eine Kommaverschiebung
des A-Dur-Akkordes.
Zur Vermeidung dieser Kommafalle gibt es keine einheitliche Lösung.
Schulze praktizierte, den Übergang von D-Dur nach g-moll (5. und 6. Akkord),
das g-moll ein Komma höher zu intonieren (Hier nicht sichtbar: Dort hat der Tenor ein Solo).
Das bedeutet eine Modulation von d über f, c nach g in dominantischer Richtung.
Er hatte damit Erfolg.
Eine weitere Möglichkeit wurde diskutiert: Gleich den 2. Akkord ein Komma höher zu intonieren.
Das entspräche der Modulation von C-Dur nach A-Dur über die Quintenreihe in dominatischer Richtung: c->g->d->a.
Statt ...
c cceg 132 264 330 396
a Aec#ea 110 165 275 330 440
Anhören:
mp3
ogg
c cceg 132 264 330 396
a+ Aec#ea 111,4 167,1 278,4 334,1 445,5
Anhören:
mp3
ogg
Es werden weitere Versuche von Max Planck zum Distonieren erörtert.
Es gibt neuere Dissertationen zu diesem Thema.
S. 99 die Naturseptime
Es gibt Befürworter und Gegner (Oettingen, Röntgen, Helmholz). Ausführlich behandelt von M.Vogel, 1991.
Die Naturseptime erscheint akzeptabler im Zusammenhang mit engen Leittönen.
Instrumente in der Chorprobe
Hier wird der Frage nachgegangen, welche Instrumente als Lernmittel für den Chorgesang geeignet sind.
Das Monchord wird in vielen alten Musikschulen empfohlen.
Die Geige wird noch um 1900 viel verwendet. Vom Klavier wird abgeraten.
S.127 Chöre, die immer mit Klavier üben, sind zur Mittelmäßigkeit verdammt: Die Schönheit
eine a-cappella-Chorklanges in Wohlklang und Stimmfülle wird ihnen unzugänglich bleiben.
Es wird noch das von Richard Hövker erfundene Reinistrument vorgestellt.
Jede Taste hat zwei Untertasten, mit denen man um ein Komma höher oder tiefer spielen kann.
S. 131 Relative Solmisation und reine Stimmung
-
John Curwen konnte auf die in England praktizierte reine Stimmung zurückgreifen. General P. Thomason verdankt
er die theoretische Grundlegung.
-
Sarah Glover (1785-1867), Pfarrerstochter, publizierte und praktizierte in
ihrem Heimatort Norwich und einigen englischen Grafschaften die
Norwich-Sol-fa-Methode, eine Methode der Musikerziehung, die durch den Gründer
John Curwen der Tonic Solfa Association eine der erfolgreichsten Singbewegungen
in Großbritannien auslöste. Curven beruft sich ausdrücklich auf Sarah Glover.
Seine Leistung liegt vor allem auf dem Gebiet der Didaktik und der
Organisation. Die Solmisation als Grundlage der Musikerziehung führte auf Grund
seiner mitreißenden Persönlichkeit den englischen Musikunterricht und
Chorgesang zu einer ungeahnten Blüte.
- Helmholtz, ein glühender Verfechter der reinen Intonation, besuchte 1864 England
und beschreibt die Gesellschaft der Solfeggisten (Tonic Solfa Association), welche sehr zahlreich
(1862 schon 150 000) über die größeren Städte in England ausgebreitet sind.
Dort wird nicht die Notenschrift verwendet, sondern die Silben Do Re Mi Fa So
La Ti Do, wobei Do immer die Tonika bezeichnet. Wenn durch Modulation die
Tonika gewechselt wird, so wird die Bezeichnung ebenfalls so geändert, dass die
Note auf welcher die Veränderung stattfindet, zwei Bezeichnungen erhält, die
der ersten Tonart und die der zweiten Tonart.
Es wird also immer in Beziehung zur Tonika rein intoniert. Bei Wechsel von zum
Beispiel C-Dur nach G-Dur wird das A von G-Dur in natürlicher Weise zur Tonika
G intoniert welches im Vergleich zu C-Dur ja ein syntonisches Komma höher ist.
Helmholtz hat 40 Kinder zwischen 8 und 12 Jahren in einer Londoner Volksschule
gehört, deren Reinheit in der Intonation ihn in Erstaunen versetzte.
Alljährlich pflegen die Londoner Schulen und Solfeggisten ein Konzert von 2000
bis 3000 Kinderstimmen im Krystallpalaste zu Sydenham zu geben, welche durch
ihren Wohlklang und Genauigkeit der Ausführung den besten Eindruck auf die
Hörer macht.
S. 197 Intonationsübungen
Intonationsübungen sind
das Thema der Chorprobe.
S.229
Kodály, Zoltan: Die reine Intonation
Ausführungen zum "Gesetz der Schwerkraft" (Pál Kardos, Albert Limbach)
Interessant: S. 238 Barbershopgesang (Nordamerika und Kanada) mit seinem schlanken bis auf den Träger der
Melodie vibtationsfreien Ton.
S. 229 Zoltan Kodály
Zoltan Kodály, nicht nur bekannt als Komponist, sondern auch als Schulmusikreformer und
Schöpfer einer weltweit geschätzen Singmethode, der sich sehr für die Solmisation
der englischen Solfaisten interessiert, lehrte: Nur das mindestens zweistimmige
Singen ist die beste Gewähr für reine Intonation. Der Beweis und der Lohn richtigens
Singens ist die Schönheit des Klangs dank der Kombinationstönen und
die gesteigerten Brillanz dank der Obertöne.
Literatur: Zoltan Kodály, Chor-Schule. Ein Lerngang musikalischer Erziehung vom ersten Anfang bis zur
Konzertreife
Zoltan Kodály
Auf der Pentatonik baute Zoltan Kodäly - nicht nur bekannt als Komponist, sondern auch als Schulmusikreformer und Schöpfer einer weltweit geschätzten Sing"methode" - seine zweistimmigen Intonationsübungen auf. Die Übungen sind Bestandteil seiner umfangreichen „Chor-Schule. Ein Lehrgang musikalischer Erziehung vom ersten Anfang bis zur Konzertreife". Die Intonationsübungen vereinigen in sich jene Punkte, die auf den vorangegangenen Seiten als positiv für die Intonationsschulung hervorgehoben wurden: Tonalität, Mehrstimmigkeit, reine Stimmung als Grundlage, Beginnen mit den konsonantesten Verhältnissen, Anpassung an eine Stimme vor gegenseitiger Anpassung.
Um das Tonalitätsgefühl zu wecken, werden die Übungen solmisiert. Die Silbe deutet auch die tonale Funktion an: indem wir uns die Intervalle einprägen, entwickeln wir auch den Sinn für die tonale Funktion. Reiner Intonation nähere man sich in der Zweistimmigkeit: Es klingt wie ein Widerspruch, aber nur im zweistimmigen Singen lernt man, auch einstimmig richtig zu singen: die Stimmen stellen sich aufeinander ein und finden von selbst ihr Gleichgewicht. ... Die Gleichzeitigkeit ist die beste Gewähr für die korrekte Intonation. Dagegen sei die „C-Dur-Tonleitermethode" ... der Feind richtigen Singens. ... Die Skala wird nur dann richtig klingen, wenn ihre „Säulen" im Voraus feststehen, und diese „Säulen" sind die Töne der pentatonischen Fünfton-Skala : C - D - E - G – A.
Von einer Begleitung am Klavier, der die meisten Lehrer und Chorleiter anhingen, sei abzusehen, da sie das temperierte System lehre, aber der Gesang hängt von den akustisch richtigen, „natürlichen" Intervallen ab. Das Ergebnis einer guten Schulung sei ein obertonreicher Chorklang: Nur solche Chöre, die richtig singen, haben Farbe und Glanz und Kinderchöre werden imstande sein, tiefe Töne zu singen, die ihnen sonst nicht erreichbar sind. Der Beweis und der Lohn richtigen Singens ist die Schönheit des Klanges dank den Kombinations- und, in höheren Lagen, der gesteigerten Brillanz der Obertöne. Die Reihenfolge der Übungen orientiert sich am Konsonanzgrad der Intervalle. Zunächst werden Oktave, Quinte, dann Großterz und Kleinterz geübt. Die beine Stimme hält den Bezugston, während sich die andere Stimme darüber und darunter bewegt. Mit fortschreitendem Schwierigkeitsgrad wird auch die Bezugstonstimme, die nicht nur Grundton, sondern auch Terz oder Quinte sein kann, bewegter. Dem Dur- schließt sich der Molldreiklang an. Es folgen pentatonische Folgen über einem Grundton. Allmählich erscheinen auch Quarten, dann Sekunden und Nonen in der Horizontalen und Vertikalen. Im übrigen sei noch erwähnt, daß Kodäly sich sehr für die Solmisation der englischen Solfaisten interessierte: Sie wird in England auf der Grundstufe für unentbehrlich gehalten. Warum sollten wir unsere Aufmerksamkeit nicht auf ein solches Land richten, wo das Nach-Notensingen eine Selbstverständlichkeit darstellt, wie bei uns das Lesen und Schreiben, wo fast jeder Erwachsene in einem Chor mitsingt und die Arbeiter-Chorvereine die Werke der großen Klassiker aufführen. Fast hundert Jahre alt ist dort das das Sofége-Sytem, welches mehr für die führen. Fast hundert Jahre alt ist dort das Solfege-System, welches mehr für die Ausbreitung der Musikkultur getan hat als irgendeine Musikfachschule. Während eines Besuchs in England machte er sich ein eigenes Bild von der Wirksamkeit der Methode und sandte in den 30er Jahren seinen Mitarbeiter Adam zu intensiveren Studien dorthin. Vor allem die relative Solmisation wurde als nützlich für die ungarische Musikerziehung angesehen. Dagegen wurde die starke do- und damit Durbezogenheit der Solfaisten nicht übernommen, da sie nicht auf das ungarische Volkslied anwendbar ist. Jede Solmisationssilbe kann bei Kodaly ohne eine latent wirksam bleibende Vorherrschaft von do Bezugston werden.
S. 243 Reinanalysen
B. Gratzki arbeitet hier mit den Begriffen Oberklang und Unterklang und analysiert Werke von Orlando die Lasso,
John Dowland, J. S. Bach, F. Mendelsohn, A. Bruckner, J. Brahms, I. Strawinsky und F. Poulenc