Joachim Mohr   Mathematik Musik Delphi

Hermann von Helmholtz

Die Lehre von den Tonempfindungen

als physiologischer Grundlage für die Theorie der Musik

Lesenswert die Beilage XVIII
aus Die Lehre von den Tonempfindungen

Helmholtz: Die Lehre von den Tonempfindungen, 1896
Verlag Friedrich Vieweg, Braunschweig 3. Auflage 1896, darauf beziehen sich die Seitenabgaben (1. Auflage 1862).

Auszug, die reine Stimmung betreffend


Die §§ (Abschnitte) 1 bis 12 sind rein naturwissenschaftliche Untersuchungen Ab § 13 wird das Gebiet der Ästetik betreten
§ 13 S. 385
Drei Hauptperioden


Hinweis: Manches ist wörtlich, manches nur sinngemäß zitiert.

S. 40 Die Zusammensetzung der Schwingungen

Wir können in eine Konzerte ohne Schwierigkeit dem melodischen Gange jeder einzelnen Intrumental- oder Vokalstimme folgen... Das menschliche Ohr verfügt über die Fähigkeit die zusammengesetzten Luftbewegungen wieder in ihre einfachen Bestandteile zu zerlegen.
S.46 Wenn also mehrere tönende Körper in dem uns umgebenden Lufträume gleichzeitig Schallwellensyste erregen, so sind sowohl die Veränderungen der Dichtigkeit der Luft, als die Verschiebungen und die Geschwindigkeiten, der Luftteilchen im Innern des Gehörganges gleich der Summe derjenigen entsprechenden Veränderungen, Verschiebungen Und Geschwindigkeiten, welche die einzelnen Schallwellenzüge einzeln genommen hervorgebracht haben; und insofern können wir sagen, dass alle die einzelnen Schwingungen, welche die einzelnen Schallwellenzüge hervorgebracht haben würden, ungestört neben einander und gleichzeitig in unserem Gehörgange bestehen.
S.49 Von dieser Art sind wirklich die meisten Fälle, wo nur der Zufall verschiedene Klänge zusammengebracht hat, wo die Klänge nicht absichtlich zu consonanten Accorden musikalisch verbunden sind, und selbst wo musicirt wird, sind bei der jetzt herrschenden temperirten Stimmung der Instrumente selten die Bedingungen genau eingehalten, welche erfüllt sein müssen, damit die resultirende Bewegung der Luft genau periodisch ist. In der Mehrzahl der Fälle wird also die mangelnde Periodicität der Bewegung das Kennzeichen einer zusammengesetzten Klangmasse abgeben können.
S.54 Die Auflösung eines einzelnen Klanges in eine Reihe von Partialtönen beruht also auf derselben Fähigkeit des Ohres, vermöge deren es im Stande ist, verschiedene Klänge von einander zu trennen...gar nicht darauf Rücksicht nimmt, ob die Schallwellen aus einem oder mehreren Tonwerkzeugen hervorgegangen sind. ... "Ohm'sche Regel" ... S.57 Theorem von Fourier: ... Klang als Summe ...

S. 60 Analyse der Klänge durch Mittönen

S.69 Helmholtz beschreibt zunächst die Membranen von Chladni, die mit Sand bestreut zeigt, welche Schwingungen sie hervorbringen kann. Kennzeichnend sind bestimmte Knotenlinien. Die Membranen können auch durch Resonanz zum Mitschwingen gebracht werden.

rein_helm_res Viel genauer sind die von Helmholtz entwickelten Resonatoren.
Hier ist die Chladni'sche Membran das Trommelfell.
S.75 Ein angeschlagener Ton, der dem Eigenton des Resonators entspricht, hört man "gellend" aus einem Tongemisch heraus.
S.76 Schwächer hört man den Resonator, wenn tiefere Klänge angegeben werden, zu deren hormonischen Obertönen der Eigenton des Resonators gehört. Ist der Eigenton des Resonators zum Beipiel c'' (f=528 Hz, 1/1) , so hört man ihn tönen, wenn ein musikalisches Instrument angibt (Klammer von Mohr): c' (264 Hz, 1/2), f (176 Hz, 1/3) , c (132 Hz, 1/4), As (105,6 Hz, 1/5) , F (88Hz, 1/6) , angenähert D (75 3/7 Hz, 1/7, D entspricht 74,25 Hz) ), C (66 Hz, 1/8) , usw.
In diesen Fällen tönt der Resonator durch einen der harmonischen Obertönen des im äusseren Luffträume angegebenen Klanges. Doch ist zu bemerken, dass die Obertöne der einzelnen Instrumente verschiedene Stärken haben.
Unter den Körpern, welche starken Mitschwingens fähig sind, sind noch die Saiten zu nennen, welche, wie im Pianoforte, mit einem Resonanzboden verbunden sind.

Die Saiten unterscheiden sich nur dadurch einigermassen von den bisher genannten mitschwingenden Körpern, dass ihre verschiedenen Schwingungsformen Töne geben, die den harmonischen Obertönen des Grundtons entsprechen, während bei Membranen Glocken, Stäben u. s. w. die Nebentöne, welche den anderen Schwingungsformen entsprechen, unharmonisch zum Grundton sind, und die Luftmassen der Resonatoren ebenfalls meist unhannonische, nur sehr hohe Obertöne geben, deren Verstärkung im Resonator sehr unbedeutend ist.

S.84 Von der Zelegung der Klänge durch das Ohr

[In den vergangenen Abschnitten wurde gezeigt, dass musikalische Klänge durch das musikalische Ohr in eine Reihe von Partialtönen zerlegt werden kann. Die Richtigkeit dieser Aufgabe wird im folgendem Beschrieben.
Dazu braucht es besondere Übungen mit passend gewählten Hilfsmitteln.
Die ungeradzahligen hört man leichter als die geradzahligen, die Oktaven des Grundtons oder anderer tiefen Partialtöne sind.}]
S.85 Will man anfangen Obertöne zu beobachten, so ist es ratsam, unmittelbar vor dem Klange, welcher analysiert werden soll, ganz schwach diejenige Note erklingen zu lassen, welche man aufsuchen will. ...
S.86[Keine Einbildung, denn man hört nach dem Anschlagen des c auf dem gleichstufig gestimmten Klavier, den Oberton e'' etwas tiefer erklingen.]
S.87 [Gute Übung: Mit immer schwächerem Druck eines Pinsels den Flageolettton heraushören.]
S.89 [Fazit: Das menschliche Ohr zerlegt die Klänge nach dem Gesetz der einfachen Schwingungen.]
S.90 [Vergleich mit Resonazkugeln oder Resonaz an Saiten.]
S.91 [Beispiel:] Wird eine Seite in 1/3 oder 2/3 berührt, wird der Grundton schweigen und die Duodezime alleine stehen bleiben, wenn sie vorhanden war.

S. 119 Klänge ohne Obertöne

Stimmgabel ...

S. 120 Klänge mit unharmonischen Obertönen

[Klänge, deren Nebentöne unharmonisch zum Grundton sind, können streng genommen nicht zu den musikalischen Tönen gerechnet werden. Sie werden auch nur ausnahmsweise gebraucht ... wenn der Grundton die Nebentöne an Stärke bei weitem übertrifft.]
Stimmgabeln, die nach dem Anschlagen auf den Resonazboden gestellt werden ... 1; 5,8; 6,6 ... Verhältnis 9; 25; 49 etc.
Dto el. Stäbe, el. Scheiben Chladni's Entdeckung, Glocken, gespannte Membranen,
S.126 Denn unharmonische Nebentöne, wenn sie auch schnell verklingen, stören doch die Harmonie in sehr unangenehmer Weise

S. 127 Klänge der Saiten

Wir gehen nun über zur Analyse der eigentlich musikalischen Klänge, welche durch harmonische Obertöne chrakterisiert sind.

S. 192 Recapitulation

Wir können aus den angeführten Beispielen über die Abhängigkeit der Klangfarbe von der Zusammensetzung des Klanges im Allgemeinen folgende Regeln ziehen:
  1. Einfache Töne, wie die der Stimmgabeln mit Resonanzröhren, der weiten gedackten Orgelpfeifen, klingen sehr weich und angenehm, ohne alle Rauhigkeit, aber unkräftig und in der Tiefe dumpf.
  2. Klänge, welche von einer Reihe ihrer niederen Obertöne bis etwa zum sechsten hinauf in massiger Stärke begleitet sind, sind klangvoller, musikalischer. Sie haben, mit den einfachen Tönen verglichen, etwas Reicheres und Prächtigeres, sind aher vollkommen wohllautend und weich, so lange die höheren Obertöne fehlen. Hierher gehören die Klänge des Claviers, der offenen Orgelpfeifen, die weicheren Pianotöne der menschlichen Stimme und des Horns, welche letzteren den Uebergang zu den Klängen mit hohen Obertönen bilden, während die Flöten und schwach angeblasenen Flötenregister der Orgel sich den einfachen Tönen nähern.
  3. Wenn nur die ungeradzahligen Obertöne da sind, wie bei den engen gedackten Orgelpfeifen, den in der Mitte angeschlagenen Ciaviersaiten und der Clarinette, so hekommt der Klang einen hohlen oder bei einer grösseren Zahl von Obertönen einen näselnden Charakter. Wenn der Grundton an Stärke überwiegt, ist der Klang voll; leer dagegen, wenn jener an Stärke den Obertönn nicht hinreichend überlegen ist. So ist der Klang weiter offener Orgelpfeifen voller als der von engeren, der Klang der Saiten voller, wenn sie mit den Hämmern des Pianoforte angeschlagen werden, als wenn es mit einem Stöckchen geschieht oder wenn sie mit den Fingern gerissen werden, der Ton von Zungenpfeifen mit passendem Ansatz voller als von solchen ohne Ansatzrohr.
  4. Wenn die höheren Obertöne jenseits des sechsten odersiebenten sehr deutlich sind, wird der Klang scharf und rauh. Den Grund davon werden wir später in den Dissonanzen nachweisen, welche die höheren Obertöne mit einander bilden, Der Grad der Schärfe kann verschieden sein; bei geringerer Stärke beenträchtigen die hohen Obertöne die musikalische Brauchbarkeit nicht wesentlich, sind im Gegenthefl günstig für die Charakteristik und Ausdrucksföhigkeit der Musik. Von dieser Art sind besonders wichtig die Klänge der Streichinstrumente, ferner die meisten Zungenpfeifen, Oboe, Fagott, Physharmonica, menschliche Stimme. Die rauheren, schmetternden Klänge der Blechinstrumente sind ausserordentlich durchdringend, und machen deshalb mehr den Eindruck grosser Kraft als ähnliche Klänge von weicherer Klangfarbe. Sie sind deshalb für sich allein wenig geeignet zur künstlerischen Musik, aber von grosser Wirkung im Orchester. In welcher Weise die hohen dissonirenden Obertöne den Klang durchdringender machen können, wird sich später ergeben.

    S. 398 Die Tonleitern der altchristlichen Kirchenmusik

    Man unterschied ursprünglich vier sogenannte authentische Tonleitern, wie sie von Bischof Ambrosius von Mailand († 398) festgesetzt waren.
    1) D E F G A H C D
    2) E F G A H C D E
    3) F G A H C D E F
    4) G A H C D E F G
    Doch war die Änderung von H in B von Anfang an erlaubt.

    S.400 Die polyphone Musik

    Die erste Form war der Diskantus, im 11. Jahrhundert in Frankreich und Flandern bekannt. Daraus entwickelte sich die polyphone Musik: Verschiedene Stimmen, jede für sich selbstständig, unter Einhaltung des Taktes. Konsonanz war nicht ihr Zweck, aber Vermeidung von Dissonanzen. Die Erfindung kanonartiger Komposition in Motetten und Madrigalen trat hinzu. Harmonie wurde noch nicht beachtet. In Schussakkorden durften nur Oktaven und Quinten vorkommen.

    S. 404 Die harmonische Musik

    Anstoß dazu waren:

    Der protestantische Kirchengesang im 16. Jahrhundert:

    Die Gemeinde sollte selbst den Gesang übernehmen.

    In der römischen Kirche vereinfachte Palestrina den Kirchengesang

    (nach dem Tridentinischen Konzil)
    Palestrina

    Palestrina (wie auch Johannes Gabrieli) war aber noch streng an die Kirchentonarten des Gregorianischen Gesangs gebunden. Beispiel:

    Auffallend: Akkord der Tonika (hier D) erscheint nicht am Anfang (hier im nicht dargestellten Teil) und das Fehlen von Verwandtschaftsbeziehungen der Akkorde.

    Umbildung im 17. Jahrhundert durch die Oper. Solostimmen wurden durch bezifferte Bässe harmonisiert (Claudio Monteverdi). Bewusst wurden Dissonanzen eingeführt. Umgestaltung der dorischen, äolischen und phrygischen Kirchentonart zu Moll. Dadurch wurden die Tonarten für die Hervorhebung der Tonika in der Harmonisierung geschickter gemacht.

    Jetzt gilt das Grundprinzip: Harmonieverbindungen stehen in einer engen Verwandtschaft zu einer Tonika. Ein Musiksatz beginnt mit der Tonika und läuft zu ihr zurück.

    S. 412 Die Tonalität der homophonen Musik

    Historische und ethnische Ausführungen zu Fünfstufigen und diatonischen Tonleitern.

    S. 446 Im 4. Jahrhundert. Bischof Ambrosius von Mailand vier Kirchentonarten mit den von Helmholtz eingeführten Bezeichnungen:
    Septimengeschlecht: d e f g a h c d
    Sextengeschlecht: e f g a h c d e
    Quintengeschlecht (unmelodisch): f g a h c d e f
    Quartengeschlecht: g a h c d e f

    Der Ton h war schon wie bei den Griechen veränderlich, statt h konnte b eintreten.

    Terzengeschlecht (moll): d e f g a b c d
    Secundengeschlecht (unmelodisch): e f g a b c d e
    Dur: f g a b c d e f
    Septimengeschlecht: g a b c d e f g

    Papst Gregor führte noch die plagialen Leitern ein, im Gegensatz zu den authentischen: Von Quinte zu Quinte.

    Als brauchbar erwiesen sich (Bezeichnung in Klammer nach dem "Dodecachordon" von Glareanus, 1547)
    Dur (Jonisch) C-c,
    Quartengeschlecht (Mixolydisch) G-g,
    Septimengeschlecht (Dorisch) D-d,
    Terzengeschlecht (Aeolisch) A-a und
    Sextengeschlecht (Phrygisch) E-e.

    S. 452 Im folgenden werden die Frequenzverhältnisse der Tonleiterstufen angeben mit den Verhältnissen
    9/8 für den großen Ganzton
    10/9 für den kleinen Ganzton und
    16/15 für den Halbton.

    Helmholtz verwendet eine von Moritz Hauptmann ("Die Natur der Harmonik und der Metrik", 1853) entwickelte Idee mit folgender Schreibweise:
    ... as es b  f  c  g  d  a  e  h ...  Alles reine Quinten
    
    ... as es b  f  c  g  d  a  e  h ...  Jeder Ton ein syntonische Komma tiefer
        —— —— -  -  -  -  -  -  -  -
    
        —— —— -  -  -  -  -  -  -  -
    ... as es b  f  c  g  d  a  e  h ...  Wieder die erste Reihe,
    
                                          jedoch ein syntonische Komma höher
    
    Hier wird die typographische einfachere folgende Schreibweise verwendet:
    ... as   es  b   f   c   g   d   a   e  h ...
    
    ... ,as ,es ,b  ,f  ,c  ,g  ,d  ,a  ,e  ,h ...  Jeder Ton ein syntonische Komma tiefer
                                                    ("Tief"-Komma vorangestellt)
    
    ... 'as 'es 'b  'f  'c  'g  'd  'a  'e  'h ...  Wieder die erste Reihe,
                                                    jedoch ein syntonische Komma höher
                                                    (Hochkomma vorangestellt)
    
    Die Kirchentonarten sind dann:
    Durgeschlecht: c d (,d) ,e f g ,a ,h c
    Quartengeschlecht [Jonisch]: c d (,d) ,e f g ,a b ('b) c
    Septimengeschlecht [Dorisch]: c d (,d) 'es f g ,a b ('b) c
    Terzengeschlecht [Aeolisch]: c d (,d) 'es f g 'as b ('b) c
    Sextengeschlecht [Phrygisch]: c 'des 'es f g 'as b ('b) c

    Die Stimmung der Sekunde und Septime ist teilweise schwankend.

    In der altgriechischen Stimmung würde man zum Beispiel schreiben:
    Dur c d e f g a h c (Quintenstimmung mit Tonschritten 9/8 und "Limma" 256/243)

    S. 465 Ausführungen zur Septime, die oft zum Leitton erhöht wurde, 1322 durch Papst Johannes XXII gerügt. Deshalb unterließ man es gewöhnlich in der Notschrift die Erhöhung anzugeben (Sogar noch im 16. und 17. Jahrhundert bei protestantischen Tonsetzern). Noch heute (also um 1860) sträuben sich die Esten und die Leute von Cherburg den Leitton zu singen.

    S. 470 Die konsonanten Akkorde der Tonart

    Hier wird erklärt, dass ein Akkord umso harmonischer erklingt, je mehr die Obertöne und Diffenztöne übereinstimmen. Das dürfte auch der Grund sein.

    Die Gewöhnung an die sehr ausgesprochenen Tonverwandtschaften der harmonischen Musik hat unseren Geschmack beeinflußt. Einstimmiger Gesang erscheint uns leer und unvollkommen. Schon das Geklimpere einer Gitarre, das die Grundakkorde hinzufügt, befriedigt uns.

    Schon im 16. Jahrhundert war die Harmonisierung der Durtonart vollständig ausgebildet, während die harmonische Behandlung der Molltonart oder der Kirchentonart noch sehr schwankend war.

    Das Sträuben älterer Komponisten, mit einen Mollakkord zu schließe, läßt sich damit begründen, dass teils falsche Kombinationstöne den Klang trüben, teils dass der Mollakkord den Klang der Tonika nicht rein wiedergibt, sondern mit anderen dem Klang fremden Tönen mischt. Oft endet ein Mollstück dann mit eine Durakkord oder keiner Terz (noch bei Bach, Händel, sogar noch öfters bei Mozart).

    Im Gegensatz zu den restlichen Kirchentonarten kommt einer geschlossenen Akkordreihe nur Dur un Moll zu.

    S.485 Helmholtz pflichtet Hauptmann bei, den er zitiert: Der Akkord auf der II. Stufe rein gespielt bedeutet eine beginnende Modulation. Was den zweite Füllton (in C-Dur B) betrifft) ist zu beobachten, dass er häufig um einen halben Ton (zu H)erhöht wird.

    Ausführungen zur Harmonisierung von Melodien von Kirchentonarten mit dem Fazit, dass eigentlich nur zwei Tonarten, Dur und Moll, zur Harmonisierung geeignet sind, wenn auch in manchen Wendungen die ursprüngliche Kirchentonart noch zu erkennen ist.

    S. 501 Das System der Tonarten

    Bei einer Singstimme ist es gleichgültig, in welcher Tonart gesungen wird. Dagegen ist auf Klavieren, Streichinstrumenten und Blasinstrumenten entschieden ein verschiedener Charakter der Tonarten vorhanden. Zum Beispiel:
    C-Dur: kräftig, klar.
    Des-Dur: weich, verschleiert.

    Pythagoräische Komma. Helmholz verwendet für (3/2)12:27 den Näherungswert 74:73

    Helmholtz stellt fest, dass die gleichstufige Stimmung - bei ihm gleichschwebend genannt - sich von der pythagoreischen Stimmung fast unhörbar unterscheidet.

    S.508 "Diese schlechten Kombinationstöne [gemeint sind die Terzen] sind mir immer das Quälenste gewesen in der Harmonie der gleichschwebenden Stimmung ... bilden einen abscheulichen Grundbass dazu."

    S.510 "Der Hauptfehler unserer gegenwärtigen temperierten Stimmung liegt also nicht in den Quinten; denn deren Unreinheit ist nicht der Rede wert ... Der Fehler liegt vielmer in den Terzen." ...

    Das einzig richtige Tonsystem ist dasjenige, welches von der von Hauptmann vorgeschlagenen Weise die durch Quinten hervorgebrachten Töne von den von Terzen hervorgebrachten unterscheidet. ...

    ... so habe ich versucht, ein Instrument herstellen zu lassen, welches im Stande ist durch alle Tonarten in reinen Intervallen modulieren zu können.

In der folgenden Auseinandersetzung ist die Rede vom Eulerschen Tonnetz, für das folgende Schreibweise verwendet wird:
c - g -d -a - u.s.w. eine Kette von reinen Quinten 702 Cent (3/2).

,c-,g-,d-,a  u.s.w. Jeder Ton ist jeweils ein syntonisches Komma tiefer,

sodass c-,e, a-,f, g-,h u.s.w. reine Terzen sind.

Die reine C-Dur-Tonleiter ist dann c-d-,e-f-g-,a-,h-c.
Tonnetz
Mit dem Ausgangston c=0=1200 erhalten wird die Quintenreihe von fes bis eis
(Alles in Cent "modulo Oktave"):

fes(384)-ces(1086)-ges(588)-des(90)-as(792)-es(294)-b(996)-f(498)-c(0)

c(0)-g(702)-d(204)-a(906)-e(408)-h(1110)-fis(612)-cis(114)-gis(816)
    -dis(318)-ais(1020)-eis(522)


Alles ein syntonisches Komma tiefer (wichtig für die folgenden Überlegungen):


,fes(363)-,ces(1065)-,ges(567)-,des(69)-,as(771)-,es(273)-,b(975)-,f(477)-,c(-22)

,c(-22)-,g(680)-,d(182)-,a(884)-,e(386)-,h(1088)-,fis(590)-,cis(92)-,gis(794)
    -,dis(296)-,ais(998)-,eis(500)


... Wir haben ferner gesehen, dass, wenn wir von h (1110 Cent) eine Reihe von Quinten herabgehen bis ces (1086Cent), der letzte Ton um ein pythagoräisches Komma (23,5Cent) tiefer ist als h.

h - ,h = 22 Cent und

h - ces = 24 Cent.

Diese beiden Intervalle sind nahehin gleich; ,h ist nur um 2 Cent höher als ces. [Genau 1,954 Cent, das Schisma]
Der Unterschied zwischen Ces und ,h ist also etwa so groß wie zwischen der reinen Quint (702Cent) und der temperierten Quint (700Cent).

Nun ist ,h die reine Terz von g; gehen wir von g durch 8 Quinten rückwärts bis ces

g-c-f-b-es-as-des-ges-ces

so müssen wir dazu 8 Quintenschritte machen. Machen wir diese Quinten alle etwas zu groß, nämlich um 1/8 des sehr kleinen Schismas (2 Cent), so wird ces=,h werden. Da nun das Schisma an der Grenze des wahrnehmbaren Tonunterschieds liegt, so wird der achte Teil dieses Intervalls gar nicht mehr in Betracht kommen und wir können also folgende Töne des Hauptmann'schen Systems idenfizieren, indem wir von ces=,h in Quinten fortschreiten.

fes=,e / ces=,h / ges=,fis / des=,cis / as=,gis / es=,dis und b=,ais

S.512 Harmonium mit zwei Manualen in reiner Stimmung von Fes-Dur bis Fis-Dur

... Ich habe deshalb einem Harmonium der größeren Art (J. und P. Schiedmayer, Stuttgart) mit zwei Manualen ein Register Zungen, welches dem unteren Manuale, und eines, welches dem oberene angehört, in der Weise stimmen lassen, dass ich mit Benutzung der Töne beider Manuale die Durakkorde von Fes-Dur bis Fis-Dur rein herstellen konnte.

Bei der folgenden Anordnung sind die Dur-Akkorde von Fes-Dur bis
Fis-Dur rein gestimmt.

   Unteres Manual:                   Oberes Manual

fes-,as-ces-,es-ges-,b-des-,f  -  as-,c-es-,g-b-,d-f-,a-c

,a-c-,e-g-,h-d-,fis-a-,cis     -  e-,gis-h-,dis-fis-,ais-cis-,eis

Reine Dur-Akkorde:  fes-,as-ces  ,es-ges-,b  ...  f-,a-c
                    c-,e-g       g-,h-d      ...  fis-,ais-cis

Reine Moll-Akkorde: ,as-ces-,es  ,es-ges-,b  ...  ,d-f-,a
                    ,a-c-,e      ,e-g-,h     ...  ,ais-cis-,eis
Helmholtz beschreibt, wie Schiedmayer des Instrument rein nach Gehör mit reinen Terzen und Quinten stimmte. Hier die Rechnung dazu in Cent und Vergleich mit der reinen Stimmung.
Oktave       o=1200
Quinte       q=1200·log_2(3/2)   = 701,955
Terz         t=1200·log_2(5/4)   = 386,314
synt. Komma  s=1200*log_2(81/80) = 21,506

     Unteres Manual:       Vergleich mit der reinen Stimmung
c=0                        c=0
g=c+q=701,955              g=q=701,955
d=g+q-o=203,91             d=2q-o=203,91
a=d+q=905,865              a=3q-o=905,865

,e=c+t=386,314             ,e=4q-2o-s=386,314
,h=g+t=1088,269            ,h=5q-2o-s=1088,269
,fis=d+t=590,224           ,fis=6q-3o-s=590,224
,cis=fis1+q-o=92,179       ,cis=7q-4o-s=92,179

fes=,e=386,314             fes=-8q+5o=384,36     ,e=4q-2o-s=386,314
ces=,h=1088,269            ces=-7q+5o=1086,315   ,h=5q-2o-s=1088,269
ges=,fis=590,224           ges=-6q+4o=588,27     ,fis=6q-3o-s=590,224
des=,cis=92,179            des=-5q+3o=90,225     ,cis=7q-4o-s=92,179

,as=fes+t=772,627          ,as=-4q+3o-s=770,674
,es=ces+t-o=274,582        ,es=-3q+2o-s=272,629
,b=ges+t=976,537           ,b=-2q+2o-s=974,584
,f=b1+q-o=478,492          ,f=-q+o-s=476,539

     Oberes Manual:
e=a+q-o=407,82             e=4q-2o=407,82
,gis=e+t=794,134           ,gis=8q-4o-s=794,134
h=e+q=1109,775             h=5q-2o=1109,775
,dis=h+t-o=296,089         ,dis=9q-5o-s=296,089
fis=h+q-o=611,73           fis=6q-3o=611,73
,ais=fis+t=998,044         ,ais=10q-5o-s=998,044
cis=fis+q-o=113,685        cis=7q-4o=113,685
,eis=,ais+q-o=499,999      ,eis=11q-6o-s=499,999

as=,gis=794,134            as=-4q+3o=792,18      ,gis=8q-4o-s=794,134
es=,dis=296,089            es=-3q+2o=294,135     ,dis=9q-5o-s=296,089
b=,ais=998,044             b =-2q+2o=996,09      ,ais=10q-5o-s=998,044
f=,eis=499,999             f=-q+o=498,045        ,eis=11q-6o-s=499,999
,c=as+t-o=-19,553          ,c=-s=-21,506
,g=es+t=682,402            ,g=q-s=680,449
,d=b+t-o=184,357           ,d=2q-o-s=182,404
,a=,d+q=886,312            ,a=3q-o-s=884,359

Spielbar sind dann die reinen Dur- und Moll-Akkorde:
Reinharmonium nach Helmholtz
<—— Dur ——>
    <——Moll -->
fes ,as ces
    ,as ces ,es
ces ,es ges
    ,es ges ,b
ges ,b des
    ,b des ,f
des ,f as
    ,f as ,c
as ,c es
   ,c es ,g
es ,g b
   ,g b ,d
b ,d f
   ,d f ,a
f ,a c
   ,a c ,e
c ,e g
   ,e g ,h
g ,h d
  ,h d ,fis
d ,fis a
  ,fis a ,cis
a ,cis e
  ,cis e ,gis
e ,gis h
  ,gis h ,dis
h ,dis fis
  ,dis fis ,ais
fis ,ais cis
  ,ais cis ,eis
Auch ist es möglich die Dur-Dominante der folgenden Molltonarten rein zu spielen, da (bis auf 2 Cent genau) ,,gis = ,as; ,,dis=,es; u.s.w.
Tonart          Durdominantakkord     Spielbar als
,a-Moll         ,e   ,,gis   ,h       ,e   ,as  h
,e-Moll   (1 #) ,h   ,,dis   ,fis     ,h   ,es  ,fis
,h-Moll   (2 #) ,fis ,,ais   ,cis     ,fis ,b   ,cis
,fis-Moll (3 #) ,cis ,,eis   ,gis     ,cis ,f   ,gis
,cis-Moll (4 #) ,gis ,,his   ,dis     ,gis ,c   ,dis
,gis-Moll (5 #) ,dis ,,fisis ,ais     ,dis ,g   ,ais
,dis-Moll (6 #) ,ais ,,cisis ,eis     ,ais ,d   f
   =
es-Moll   (6 b) b    ,d      f        b    ,d   f
b-Moll    (5 b) f    ,a      c        f    ,a   c

"Für die übrigend Molltonarten ist die Reihe der Töne nicht
ganz so genügend wie für die Durtonarten". Der Dominantdurakkord
ist nur mit pythagoreischer Terz spielbar.
                                      Nicht spielbar
,d-Moll   (1 b) ,a   ,cis  ,e             ,,cis
,g-Moll   (2 b) ,d   ,fis  ,s             ,,fis
,c-Moll   (3 b) g    ,h    d          ,g   ,,h  ,d
,f-moll   (4 b) ,c   ,e    ,g             ,,e
,b-Moll   (5 b) ,f   ,a    ,c             ,,a
,,es-moll (6 b) ,b   ,d    ,f             ,,d
Vergleich der Stimmungen:
Rein: voller gesättigter Wohlklang.
Gleichstufig: rau, trübe, zitternd, unruhig.
Rein: Konsonante und dissonante Akkorde treten viel entschiedener auf. Modulationen werden deshalb viel ausdrucksvoller. Manche feine Schattierungen werden fühlbar. Dissonanzen erwirken einen größeren Kontrast zu den Konsonanten.

Helmholtz nimmt irrtümlich an, dass Bach die gleistufige Stimmung verwendet hat.

Bei schneller Bewegung fällt die Rauhigkeit der gleichstufigen Stimmung kaum auf. Helmhotz stellt die Frage: Ist die Instrumentalmusik in wegen der Rauhigkeit bei langsamen Tempo zur Schnelligkeit gedrängt worden?

Beim Klavier, wo der Ton schnell leiser wird, fällt die Rauhigkeit der gleichstufigen Stimmung nicht sehr auf, vor allem, wenn bei den hohen Tönen durch die Art des Anschlags die Obertöne abgeschwächt sind, bei den scharfen Orgelregistern dagegen umso mehr.

Zu den Instrumentalisten: Hermann von Helmholtz schreibt, dass er mit Joseph Joachim (1831 bis 1907), experimentierte. Er stellte fest, dass Joachim reine Terzen und Sexten intonierte. Dies zeichnete auch die Intonation seinen Quartettspiels aus.

S. 526 "Der Gesang [in reinen Intervallen] wird wohl immer die wahre und natürliche Schule aller Musik bleiben."

Bis zum 17. Jahrhundert wurden die Sänger nach dem Monochord eingeübt, für welches Zarlino in der Mitte des 16. Jahrhunderts die reine Stimmung wieder einführte.

Der Wohlklang der italienischen Kirchenmusik des 15. und 16. Jahrhunderts ist auf den reinsten Wohlklang der Konsonanten berechnet.

Helmholtz läßt sich nun über die zeitgenössischen solistischen Sänger aus, die durch ihr Detonieren (hervorgerufen durch das Einüben am Klavier) den Hörer beleidigen, während manche Männerquartette ihre vierstimmigen Lieder vollkommen rein singen.

Empfehlung für die Gesangsausbildung: Nur am rein gestimmten Klavier

S. 530 Bei Modulationen in die Dominante oder Subdominante ändern sich zwei Töne: Einer mit Vorzeichenwechsel, ein anderer um ein syntonisches Komma.

Modulation einer Terz (z.B. von c nach a) und zurück über Quinten (a d g c) führ zu einer enharmonischen Verwechslung.

S. 516 Zum Reinharmonium

"Was nun die musikalischen Wirkungen der reinen Stimmung betrifft, so ist der Unterschied zwischen dieser und der gleichschwebenden oder gar der griechischen Stimmung nach reinen Quinten doch sehr bemerklich. Die reinen Accorde, namentlich die Duraccorde in ihren günstigen Lagen, haben trotz der ziemlich scharfen Klangfarbe der Zungentöne einen sehr vollen und gleichsam gesättigten Wohlklang; sie fließen im vollen Strome ganz ruhig hin, ohne zu zittern und zu schweben. Setzt man gleichschwebende oder pythagoräische Accorde daneben, so erscheinen diese rau, trübe zitternd und unruhig...

Am größten und unangenehmsten ist die Differenz zwischen natürlicher und temperierten Akkorden in den höheren Octaven der Scala, weil hier die falschen Combinationstöne der temperierten Stimmung sich merklicher machen und weil die Zahl der Schwebungen bei gleicher Tondifferenz größer wird, und die Rauhigkeit sich viel mehr verstärkt, als in tieferer Lage ...

Die Modulationen werden deshalb viel ausdrucksvoller ... mache feine Schattierungen werden fühlbar, die sonst fast verschwinden ..."

S.525 Joseph Joachim spielt die Terzen rein

Ich hatte die glückliche Gelegenheit an meinem Harmonium [mit zwei Manualen in reiner Stimmung] mit Herrn Joachim anzustellen. ... Mittels Schwebungen war leicht zu erkennen, dass der genannte ausgezeichnete Musiker ,h und h als Terz zu g brauchte sowie ,e und nicht e als Sexte. ... [Fußnote**:] ... In melodischer Folge ... Nur im Leitton ist es vielleicht ausdrucksvoller, die höhere Terz zu spielen.

S.531: Die Teilung der Oktave in 53 gleich große Intervalle

Nachdem die Nachteile der gleichschwebenden Temperatur erörtert wurden, erwähnt Helmholtz folgendes:
Will man eine Scala in fast genauer natürlicher Stimmung herstellen, welche unbegrenzt fortzumodulieren gestattet, ... so lässt sich dies durch die schon von [Nikolaus] Mercator vorgeschlagene Teilung der Octave in 53 gleich große Intervalle erreichen. Eine solche Stimmung hat neuerdings Herr Bosanquet für ein Harmonium mit symmetrisch angeordneter Tastatur benutzt. [An elementary Treatease on Musical Intervals and Temperament by. R.H.M. Bosanquet, Lonon. Macmillan 1875].
Ausführungen dazu hier ...
Das Manual von Bosanquet. Mit dem Harmonium lassen sich alle Tonleitern des Quintenzirkels rein spielen (bis auf 2Cent).
Das Manual des Harmoniums von Bosanquet - Tasten
Das Manual des Harmoniums von Bosanquet - Beschreibung
Erläuterung: Bosanquet verwendet statt ,c die Schreibweise \c und statt 'c die Schreibweise /c.

S. 534 Von den dissonanten Akkorden

...

S.554 Der Dominantseptimenakkord, erfunden wohl von Monteverdi im 17. Jahrhundert, ist der mildeste der dissonanten Akkorde.

Der Septimenakkord auf der 2. Stufe (d f a c) [sixte ájoute] klingt am besten mit dem d der C-Durtonleiter (nicht d-).

S.560 Gesetzte der Stimmführung

...

S. 581 Beziehungen zur Ästhetik

...

S. 664 Beilage XVIII Anwendung der reinen Intervalle beim Gesang

Hermann von Helmholtz beschreibt die Gesellschaft der Solfeggisten (Tonic-Solfa-Assoziation), welche sehr zahlreich (1862 schon 150 000) über die größeren Städte in England ausgebreitet sind. Dort wird nicht die Notenschrift verwendet, sondern die Silben Do Re Mi Fa So La Ti Do, wobei Do immer die Tonika bezeichnet. Wenn durch Modulation die Tonika gewechselt wird, so wird die Bezeichnung ebenfalls so geändert, dass die Note auf welcher die Veränderung stattfindet, zwei Bezeichnungen erhält: die der ersten und die der zweiten Tonart.

Es wird also immer in Beziehung rein zur Tonika intoniert. Bei Wechsel von zum Beispiel C-Dur nach G-Dur wird das A von G-Dur in natürlicher Weise zur Tonika G intoniert welches im Vergleich zu C-Dur ja ein syntonisches Komma höher ist.

Helmholtz hat 40 Kinder zwischen 8 und 12 Jahren in einer Londoner Volksschule gehört, deren Reinheit in der Intonation ihn in Erstaunen versetzte. Alljährlich pflegen die Londoner Schulen und Solfeggisten ein Konzert von 2000 bis 3000 Kinderstimmen im Krystallpalaste zu Sydenham zu geben, welche durch ihren Wohlklang und Genauigkeit der Ausführung den besten Eindruck auf die Hörer macht.

Die Solfeggisten singen nach natürlichen, nicht nach temperierten Intervallen.

S. 668: Helmholz zitiert A. Ellis (Proceedings Royal Society, 1864, Nro. 90, der die natürliche Stimmung folgendermaßen beschreibt.

C-Dur: C D E F G A H C
G-Dur: G +A H C D E #F, wobei hier "+A" ein syntonisches Komma höher als A und #f ein Limma (135/128) höher als F ist ist.
D-Dur: D +E #F G +A H #C D
etc.
F-Dur: F G A bH C -D E F, wobei hier "-D" ein syntonisches Komma tiefer als D und bH ein Limma tiefer als H ist.
B-Dur: bH C -D bE F -G A B
etc.
A-Moll, absteigend: A H C -D E F G A
A-Moll, aufsteigend: A H C -D E -#F -#G A

Original

Beilage XVIII.

Anwendung der reinen Intervalle beim Gesang.

Zu Seite 523.

Seit der ersten Veröffentlichung dieses Buches habe ich auch Gelegenheit gehabt, die vom General Perronet Thompson (1) Principles and Practice of Just Intonation, illustrated on the Enharmonic Organ. 7th Edition. London. 1863.) konstruierte enharmonische Orgel zu sehen, welche durch die Dur- und Molltonarten von 21 verschiedenen, harmonisch verbundenen Toniken in natürlicher Stimmung zu spielen erlaubt. Dieses Instrument ist viel komplizierter als mein Harmonium; es enthält 40 verschiedene Pfeifen für die Oktave, und drei verschiedene Manuale mit zusammen 65 Tasten für die Oktave, wobei dieselben Noten zum Teil in zwei oder auch in allen drei Manualen vorkommen. Das Instrument erlaubt viel ausgedehntere Modulationen auszuführen, als das von mir beschriebene Harmonium, ohne daß enharmonische Verwechselungen nötig werden. Auch kann man ziemlich schnelle Passagen und Verzierungen darauf ausführen, trotz seiner anscheinend sehr verwickelten Tastatur. Die Orgel ist gebaut durch Messrs. Robson, London. Sie enthält nur ein Register gewöhnlicher Prinzipalpfeifen, ist mit Jalousieschwellern und mit einem eigentümlichen Mechanismus versehen, um den Einfluß der Temperatur auf die Stimmung zu beseitigen.

Herr H. W. Poole (2) American Journal of Science and Arts, Vol. XLIV, July 1867) hat neuerdings seine auf Seite 523 (Anmerkung) erwähnte Orgel so umgeformt, daß die Stimmung durch Registerzüge beseitigt ist, und hat eine besondere Tastatur konstruiert, welche erlaubt, in allen Tonarten mit demselben Fingersatz zu spielen. Seine Skala enthält nicht nur die reinen Quinten und Terzen aus der Reihe der Durakkorde, sondern auch die natürlichen Septimen für die Töne beider Reihen. Die Zahl der Pfeifen ist 78 für die Oktave, wobei die Vertauschung von Fes mit E, wie bei meinem Harmonium, angewendet ist.

Die Akkordfolgen der Orgel von P. Thompson sind außerordentlich wohlklingend, wegen der milderen Klangfarbe vielleicht von noch auffallenderem Wohlklang als die meines Harmoniums. Aus demselben Grunde ist aber auch der Unterschied zwischen falschen und richtig gegriffenen Akkorden auf dieser Orgel nicht so einschneidend, wie auf dem Harmonium. Ich hatte Gelegenheit, eine Sängerin, die oft mit Begleitung der enharmonischen Orgel gesungen hatte, zu dem Instrumente zu hören, und kann versichern, daß dieser Gesang ein eigentümlich befriedigendes Gefühl vollkommener Sicherheit der Intonation gewährte, was bei der Begleitung mit dem Klavier zu fehlen pflegt. Auch ein Violinist war da, der noch nicht oft mit der Orgel zugleich gespielt hatte, und nach dem Gehör bekannte Arien begleitete. Er schmiegte sich der Intonation der Orgel vollkommen an, so lange die Tonart unverändert blieb, und nur in einzelnen schnellen Modulationen wußte er noch nicht ganz genau zu folgen.

In London ist auch Gelegenheit gegeben, die Intonation dieses Instruments mit der natürlichen Intonation solcher Sänger zu vergleichen, die ganz ohne alle Instrumentalbegleitung singen gelernt haben, und nur ihrem Gehöre zu folgen gewöhnt sind. Es ist dies die Gesellschaft der Solfeggisten (Tonic-Solfa-Associattons), welche sehr zahlreich (1862 schon 150 000) über die größeren Städte Englands ausgebreitet sind, und deren große Fortschritte für die Theorie der Musik sehr beachtenswert sind. Diese Gesellschaften brauchen zur Bezeichnung der Noten der Durskala die Silben Do, Re, Mi, Fa, So, La, Ti, Do, so daß Do immer die Tonika bezeichnet. Ihre Gesänge sind nicht in gewöhnlicher Notenschrift aufgeschrieben, sondern mit gewöhnlicher Druckschrift, wobei die Anfangsbuchstaben der genannten Silben die Tonhöhe bezeichnen.

Wenn durch Modulation die Tonika gewechselt wird, so wird die Bezeichnung ebenfalls so geändert, daß die neue Tonika wieder Do heißt, welcher Wechsel in der Notenschrift dadurch angekündigt wird, daß die Note, auf welcher der Wechsel stattfindet, zwei Bezeichnungen erhält, eine für die frühere, die zweite für die neue Tonika. Durch diese Bezeichnungsweise wird also vor allen anderen Dingen die Beziehung jeder Note zur Tonika hervorgehoben, während die absolute Tonhöhe, in der das Stück auszuführen ist, nur im Anfang angegeben wird. Da die Intervalle der natürlichen Durskala auf jede neue Tonart übertragen werden, welche durch Modulation eintritt, so werden alle Tonarten ohne Temperierung der Intervalle ausgeführt. Daß bei einer Modulation von G-Dur nach C-Dur (Druckfehler korrigiert. Im Original G-Dur) das Mi (oder h) der letzteren Skala genau dem Ti der ersteren, und das Re (oder a) der zweiten nahehin dem La (oder a) der ersteren entspricht, ist in der Bezeichnungsweise gar nicht angedeutet, und wird erst bei weiterem Fortschritte des Unterrichts gelernt. Es ist also auch gar keine Veranlassung für den Schüler gegeben, das a mit a zu verwechseln). ( Auskunft über die Prinzipien gibt A Grammar of Vocal Music founded on the Tonic Solfa Method by J.. Curwen. 19th Edition. London, Ward and Co. — Das Unterrichtsbuch für Schüler heißt: The standard Course of lessonson the Tonic Solfa Method by J. Curwen. London, Tonic Solfa Agency. 43 Paternoster Row. — Das Journal des Vereins ist The Tonic Sol-Fa Reporter and Magazlne of Vocal Muslc, London, Ward and Co. — Eine Menge Musikalien in der eigentümlichen Notenschrift der Solfeggisten, unter anderen Mendelssohn's Paulus, Händel's Messias, Israel in Ägypten, Judas Maccabäus, das Dettinger Te Deum, Haydn's Schöpfung, Frühling aus den Jahreszeiten etc. sind ebenfalls veröffentlicht. — In Frankreich wird der Gesang in der Schule Galin-Paris-Chevé nach ähnlichen Grundsätzen und mit Hülfe einer ähnlichen Notation gelehrt.))

Es läßt sich nun nicht verkennen, daß diese Bezeichnungsweise für den Gesangunterricht den großen Vorteil hat das herauszuheben, was bei der Bestimmung des Tons für den Sänger am wichtigsten ist, nämlich das Verhältnis zur Tonika. Es sind nur einzelne außerordentliche Talente im Stande absolute Tonhöhen festzuhalten und wiederzufinden, namentlich wenn noch andere Töne daneben angegeben werden. Die gewöhnliche Notenschrift gibt aber direkt nur die absoluten Tonhöhen an und diese auch nur für die temperierte Stimmung. Jeder, der öfter vom Blatt gesungen hat, wird wissen, wie viel leichter dies nach einem Klavierauszuge zu tun ist, in welchem man die Harmonie übersieht, als nach einer einzelnen Stimme. Im ersteren Falle kann man leicht erkennen, ob die zu singende Note Grundton, Terz, Qninte oder Dissonanz des jedesmaligen Akkordes ist, wonach man sich leicht orientiert; im zweiten Falle bleibt nichts übrig, als nach den vorgeschriebenen Intervallen auf und ab zu schreiten, so gut es geht, und sich darauf zu verlassen, daß die begleitenden Instrumente und anderen Stimmen die eigene Stimme in die richtige Tonhöhe hineindrängen werden.

Was nun einen mit der musikalischen Theorie vertrauten Sänger der Klavierauszug erkennen läßt, das zeigt die Bezeichnungsweise der Solfeggisten unmittelbar auch dem Ununterrichteten. Ich habe mich selbst überzeugt, daß man bei Benutzung dieser Bezeichnung auch nach einer einzelnen Stimme viel leichter richtig singt, als nach einer solchen in gewöhnlicher Notenschrift, und ich habe Gelegenheit gehabt, mehr als 40 Kinder zwischen 8 und 12 Jahren in einer der Volksschulen Londons Singübungen ausführen zu hören, welche durch die Sicherheit, mit der sie Noten lasen, und durch die Reinheit ihrer Intonation mich in Erstaunen setzten. Alljährlich pflegen die Londoner Schulen der Solfeggisten ein Konzert von 2000 bis 3000 Kinderstimmen im Kristallpalaste zu Sydenham zu geben, welches, wie mir von Musikverständigen versichert wurde, durch den Wohlklang und die Genauigkeit der Ausführung den besten Eindruck auf die Hörer macht.

Die Solfeggisten nun singen nach natürlichen, nicht nach temperierten Intervallen. Wenn ihre Chöre von einer temperierten Orgel begleitet werden, so entstehen sehr merkliche Differenzen und Störungen, während sie sich in vollkommenem Einklange mit General P. Thompson's enharmonischer Orgel finden. Manche Äußerungen sind sehr charakteristisch. Ein junges Mädchen sollte ein Solostück ans F-Moll singen und nahm die Noten mit nach Haus, um am Klavier zu üben. Sie kam wieder mit der Erklärung, daß auf ihrem Klavier das As und Des nicht richtig wären, die Terz und Sexte der Tonart, bei denen die Abweichung in der temperierten Stimmung in der Tat am bedeutendsten ist. Eine andere ähnliche Schülerin war so befriedigt durch die enharmonische Orgel, daß sie drei Stunden hinter einander darauf übte, und erklärte, es sei so sehr angenehm, einmal wirkliche Noten zu spielen. Überhaupt stellte sich in einer großen Anzahl von Fällen heraus, daß junge Leute, die nach der Solfa-Methode singen gelernt hatten, sich durch Probieren auf der verwickelten Tastatur der enharmonischen Orgel von selbst und ohne Anweisung zurecht fanden, und stets die theoretisch richtigen Intervalle wählten.

Sänger finden, daß es leichter ist, nach der Begleitung der genannten Orgel zu singen, und auch wohl, daß sie das Instrument während des Singens nicht hören, weil es nämlich in vollkommener Harmonie mit ihrer Stimme ist und keine Schwebungen macht.

Ich selbst habe übrigens beobachtet, daß auch Sänger, welche an Klavierbegleitung gewöhnt sind, wenn man sie eine einfache Melodie an dem natürlich gestimmten Harmonium singen läßt, natürliche Terzen und Sexten singen, nicht temperierte oder pythagoräische. Ich begleitete den Anfang einer Melodie und pausierte, wenn der Sänger die Terz oder Sexte der Tonart einsetzen sollte. Nachdem er eingesetzt hatte, gab ich auf dem Instrumente entweder das natürliche oder das pythagoräische oder das temperierte Intervall an. Das erste war stets im Einklange mit der Singstimme, die beiden anderen gaben scharfe Schwebungen.

Nach diesen Erfahrungen, glaube ich, kann kein Zweifel darüber bleiben, wenn noch einer da war, daß die theoretisch bestimmten Intervalle, welche ich in dem vorliegenden Buche die natürlichen genannt habe, wirklich die natürlichen für das unverdorbene Ohr sind; daß ferner die Abweichungen der temperierten Stimmung dem unverdorbenen Ohre in der Tat merklich und unangenehm sind; daß drittens trotz der feinen Unterschiede in einzelnen Intervallen, das richtige Singen nach der natürlichen Skala viel leichter ist, als nach der temperierten Skala. Die komplizierte Intervallenberechnung, welche die natürliche Skala nötig macht, und durch welche die Handhabung der Instrumente mit festen Tönen allerdings erschwert wird, existiert für den Sänger und auch für den Violinisten nicht, wenn letzterer sich nur von seinem Ohre leiten läßt. Denn im natürlichen Fortschritte einer richtig modulierten Musik haben sie immer nur nach Intervallen der natürlichen diatonischen Skala fortzuschreiten. Nur für den Theoretiker gibt es eine komplizierte Rechnung, wenn er schließlich das Resultat einer großen Menge solcher Fortschreitungen mit dem Ausgangspunkte vergleichen will.

Daß das natürliche System für Sänger durchführbar ist, zeigen die englischen Solfeggisten; daß es auf den Streichinstrumenten durchgeführt werden kann, und von ausgezeichneten Spielern in der Tat durchgeführt wird, bezweifle ich nicht mehr nach den üben erwähnten Untersuchungen von Delezenne und nach dem, was ich selbst von dem Violinspieler, der mit der enharmonischen Orgel spielte, gehört habe. Von den übrigen Orchesterinstrumenten haben die Blechinstrumente schon von selbst natürliche Stimmung und können sich nur mit Zwang dem temperierten System anschließen. Die Holzblaseinstrumente würden ihre Töne etwas verändern können, um sich der Stimmung der übrigen anzuschließen. Ich glaube also nicht, daß man die Schwierigkeiten des natürlichen Systems für unüberwindlich erklären könne; ja ich glaube, daß manche von unseren besten Musikaufführungen ihre Schönheit dem unbewußten Einführen des natürlichen Systems verdanken, daß wir aber solchen Genuß öfter haben könnten, wenn dasselbe schulmäßig gelehrt und allem Musikunterricht zu Grunde gelegt würde, statt des temperierten Systems, welches die menschliche Stimme und die Streichinstrumente verhindern will, ihren vollen Wohlklang zu entfalten, um nicht der Bequemlichkeit des Klaviers und der Orgel zu nahe zu treten.

Gegen die hier aufgestellten Sätze ist von Musikern zum Teil in sehr absprechender Weise polemisiert worden. Ich zweifle keinen Augenblick, daß viele dieser meiner Gegner in der Tat sehr gute Musik machen, weil ihr Ohr sie zwingt besser zu spielen, als es ihre bewußte Absicht ist, und als es ausfallen würde, wenn sie die Vorschriften der Schule wirklich ausführten und genau in pythagoräischer oder temperierter Stimmung spielten. Andererseits kann man sich meist aus diesen Schriften selbst davon überzeugen, daß die Schreibenden sich nie die Mühe genommen haben, die reine und temperierte Stimmung methodisch zu vergleichen. Ich kann nur immer wieder auffordern erst zu hören, ehe man, auf eine unvollkommene Schultheorie gestützt, Urteile in die Welt sendet über Dinge, die man nicht aus eigener Erfahrung kennt. Und wer zu solchen Beobachtungen keine Gelegenheit hat, sehe doch nur die Literatur aus der Zeit an, als die gleichschwebende Temperatur eingeführt wurde. Zu der Zeit, wo die Orgel eine leitende Rolle unter den musikalischen Instrumenten hatte, war sie noch nicht temperiert gestimmt. Und das Klavier ist allerdings ein äußerst nützliches Instrument, um musikalische Literatur kennen zu lernen, sowie für die häusliche Unterhaltung oder zur Begleitung anderer Stimmen. Aber für höhere künstlerische Zwecke hat es doch keine solche Wichtigkeit, daß man seinen Mechanismus zur Grundlage des ganzen musikalischen Systems machen dürfte.

Etwas abweichend von der in dieser Auflage meines Buches gebrauchten ist die von Herrn A. Ellis (4) Proceedings Royal Society, 1864, Nro. 90.) vorgeschlagene Bezeichnungsweise der natürlichen Stimmung für die gewöhnliche Notenschrift. Er braucht dabei nur zwei neue Zeichen, nämlich † für die Erhöhung des Tons um ein Komma 81/80 und für die Erniedrigung durch dasselbe Intervall; dagegen bedeutet # die Erhöhung am ein Limma 135/128 und die Erniedrigung durch dasselbe Intervall. Die Noten ohne Versetzungszeichen C, D, E, F, G, A, H, haben diejenigen Werte, welche ihnen in der natürlichen Stimmung von C-Dur zukommen wie auf S. 449.

D-Dur bekommt dazu ein zweites # vor C und ein zweites , vor E
A-Dur (oder vielmehr † A-Dur) bekommt ein drittes # vor G und ein drittes † vor H.
Man sieht leicht, wie dies in Quinten fortschreitend, weiter geht.
Umgekehrt bekommt F-Dur, außer dem vor H, noch ein b vor D.
B-Dur bekommt ein zweites b vor E, und ein zweites vor G. Es-Dur ein drittes vor E, und ein drittes vor C, etc. Die absteigende Molltonleiter von A-Moll unterscheidet sich von der G-Durleiter durch ein vor D. In der aufsteigenden Molltonleiter ist der Leitton zu A zu bezeichnen mit # G, denn # G ist der Leitton zu †A, wie sich vorher ergab, und ebenso ist # F die Terz zu D zu nehmen. Die entsprechenden Vorzeichnungen sind an den übrigen Molltonleitern zu machen. Für die Haupttonart werden die betreffenden † und an den Anfang jeder Zeile gesetzt wie die # und . Wo Modulationen eintreten, müssen sie vor die einzelnen Noten gesetzt werden.