Die vollständige Induktion, ein Thema der höheren Mathematik, ist unverzichtbarer Inhalt beim Mathematik-, Physik- und Ingenieurstudium.
Sie eignet sich nicht zum Schulstoff, da das Verständnis für die verwendete Logik und ihre axiomatische Grundlegung fehlt. Demotivierend für die Studierenden ist außerdem, dass damit Formeln bewiesen, aber nicht hergeleitet werden. Die Formeln fallen einfach vom Himmel. Trotzdem findet die vollständige Induktion von Fall zu Fall Eingang in den Lehrplan der Gymnasien oder - und das ist für mich der Anlass dieses Kurses - der Aufnahmeprüfungen für das Hochschulstudium für Ausländer. Sie wird als Kapitel für sich behandelt und hat im Schulstoff keine weiteren Anwendungen.
Der folgende Kurs soll - ganz im Gegensatz zu den sonstigen
Intentionen dieser Seiten - nicht überzeugen, sondern nur die nötigen
Techniken vermitteln, um eine Prüfung einigermaßen unbeschadet zu
überstehen.
Er kann vielleicht sogar bewirken, dass der Leser ein Vergnügen an diesem
Thema und anderen Beweistechniken, die eine solide logische Schulung
erfordert, empfindet.
Wer sich in die vollständige Induktion vertiefen möchte, findet einen ersten Einstig im Wikipedia-Lexikon.
Im folgenden ist N = {1;2;3;4; ... } die Menge der natürlichen Zahlen und N0 = {0;1;2;3;4; ...}.In manchen Büchern wird die Null zu N hinzugenommen. Im Wesentlichen ändert sich nichts dadurch.
n·(n+1) A(n): 1 + 2 + 3 + ... + n = ——————— (Eine Summe als "geschlossener Ausdruck") 2Gewöhnlich spricht man hier von einer Formel und meint damit die Allgemeingültigkeit einer Aussageform. Dies wird noch erläutert.
Wie man auf diese Formel kommt, wird hier nicht besprochen. Es geht nur darum, ihre Gültigkeit nachzuweisen. (Würde ich nämlich die Formel auf direktem Wege herleiten, wäre es ja nicht mehr nötig, sie zu beweisen. Also tun wir so, irgend jemand hätte die Formel als Behauptung aufgestellt. Jetzt geht es nur noch darum, sie zu beweisen.)
1·(1+1) A(1): 1 = ——————— (wahr: Probe stimmt) 2 2·(2+1) A(2): 1 + 2 = ——————— (wahr: Probe stimmt) 2 3·(3+1) A(3): 1 + 2 + 3 = ——————— (wahr: Probe stimmt) 2 ... 1000000·1000001 A(1000000): 1 + 2 + ... + 1000000 = ——————————————— (Bitte nachrechnen :-) ... 2An diesem Beispiel erkennt man: Aussageformen enthalten eine oder mehrere Variablen (hier die Variable nεN). Sie werden zu Aussagen, wenn die Variablen bestimmte Werte annehmen. Jede Aussage ist entweder wahr oder falsch.
Beweisschema der
|
Die Formel A(n) soll bewiesen werden. |
Der Beweis erfolgt in zwei Schritten. |
I Induktionsanfang: Prüfe, ob A(1) gilt. |
II Induktionsschritt: Zeige: A(n) => A(n+1) (n ε
N) ("Aus A(n) kann A(n+1) hergeleitet werden") |
Mit dem Nachweis von I und II ist die Formel A(n) bewiesen. |
n·(n+1) A(n): 1 + 2 + 3 + ... + n = ——————— 2Beweis: I Induktionsanfang:
1·(1+1) A(1): 1 = ——————— (wahr: Probe stimmt) 2II Induktionsschritt: Wir nehmen an:
n·(n+1) A(n): 1 + 2 + 3 + ... + n = ——————— gälte 2Jetzt müssen wir zeigen, dass daraus die Formel
(n+1)·(n+2) A(n+1): 1 + 2 + 3 + ... + n + (n+1) = ——————————— 2hergeleitet werden kann.
n·(n+1) Aus 1 + 2 + 3 + ... + n = ——————— folgt 2 durch Addition von n+1 auf beiden Seiten: n·(n+1) 1 + 2 + 3 + ... + n + (n + 1) = ——————— + (n+1) 2
Jetzt werden die Rechnungen meist sehr technisch. Du musst
darauf hinsteuern, dass als letzter Ausdruck der Gleichungskette die rechte
Seite von A(n+1) steht.
Wenn Du aber in der Prüfung das Schema soweit aufgeschrieben hast, hast Du
die meisten Punkte schon erworben.
n·(n+1) + 2·(n+1) => 1 + 2 + 3 + ... + n + (n + 1) = ————————————————— |(n+1) ausklammern! 2 (n+2)·(n+1) => 1 + 2 + 3 + ... + n + (n + 1) = ——————————— 2 ∎Beispiel 2: (Siehe WP
2 2 2 2 1 1 3 1 2 1 Behauptung: Aussage A(n): 1 + 2 +3 + ... +n = —n(n+1)(2n+1)=—n + —n + —n 6 3 2 6 Beweis durch vollständige Indultion: Induktionsanfang: 2 1 A(1): 1 = —1·2·3 ist richtig 6 Induktionsschritt: Unter der Annahme, dass A(n) gilt, ist zu zeigen, dass A(n+1) gilt: 2 2 2 2 2 1 1 3 3 2 13 Zu zeigen ist A(n+1): 1 + 2 +3 + ... +n + (n+1) = —(n+1)(n+2)(2n+3)=—n +—n +——n + 1 6 3 2 6 2 2 2 2 2 1 3 1 2 1 2 1 3 2 13 Beweis: 1 + 2 +3 + ... +n + (n+1) = —n + —n + —n + n + 2n +1 = —n + —n + ——n + 1 ∎ 3 2 6 2 2 6 2 Induktionsannahme ↑Induktionsannahme ↑(n+1)2. Aufgabe: Beweise:
n n+1 a) 1 + 2 + 4 + 8 + ... + 2 = 2 - 1 1 1 1 1 1 b) 1 + - + - + - + ... + —— ≥ 1 + n·- 2 3 4 n 2 2Lösung
a) Eine arithmetische Reihe 2 1 + 3 + 5 + ... (2n - 1) = n b) Noch eine arithmetische Reihe: n·(n+1) 5 + 8 + 11 + 14 + ... + (5+3·n) = 5(n+1) + 3——————— 2 c) Die allgemeine arithmetische Reihe: n·(n+1) a + (a+k) + (a + 2k) + (a + 3k) + ... + (a + nk) = a(n+1) + k——————— 2 d) Die allgemeine geometrische Reihe; n+1 2 3 n 1 - x a + ax + ax + ax + ... + ax = a·———————— 1 - x e) n = n + 1 (Zusatzfrage: Warum nicht allgemeingültig!) 2 2 2 2 1 f) 1 + 2 + 3 + ... + n = -n·(n + 1)·(2n + 1) 6Nebenbei bemerkt: Weitere Summenformeln
g) 3n - 3 ist durch 6 teilbar
n (1+p) > 1 + n·p für p > -1 und n > 1 x i) Für f(x) = (x+2)·e ist die n-te Ableitung (n) x f (x) = (x + n + 2)·e -x j) Für f(x) = (x+2)·e ist die n-te Ableitung (n) n -x f (x) =(-1) (x + 2 - n)·eLösungen
Die Folge (a ) wird rekursiv definiert durch n a = a 0 a = r·a + s für n ≥ 0 (r ≠ 1) n+1 n Behauptung: Für die Folge gibt es einen geschlossenen Ausdruck der Form n a = c·r + d (n ≥ 0) für passende Zahlen c und d. nBemerkung: Die wichtigste Anwendung hiervon ist die Tilgung eines Darlehens, siehe ...
n n·(n-1)·(n-1)·...·(n-k+1) ( ) = —————————————————————————— (kεN , nεR) [Zähler und Nenner haben k Faktoren) k 1 · 2 · 3 · ... ·k 0Man beachte bei dieser Definition, dass n keine natürliche Zahl sein muss, zum Beispiel ist
-1/2 (-1/2)·(-3/2)·(-5/2)·(-7/2) 1·3·5·7 35
( ) = —————————————————————————— = —————————— = ———
4 1 · 2 · 3 · 4 1·2·3·4·16 128
n
Bemerkung: ( ) = 1, das neutrale Element der Multiplikation.
0
2k k -1/2
Behauptung: ( ) = (-4) ·( ) (kεN )
k k 0
Lösung
n 0 2n 2 2n-2 4 2n-4 2n-2 2 2n 0 4 = ( )·( ) + ( )·( ) + ( )·( ) + ... + ( )·( ) + ( )·( ) 0 n 1 n-1 2 n-2 n-1 1 n 0 n 2k 2n-2k = Σ ( )·( ) k n-k k=0Eine Formel über die mittleren Elemente des Pascalschen Dreiecks
k m n m+n Σ ( )·( ) = ( ) j k-j k j=0 m+n ( ) ist nämlich die Anzahl aller Teilmengen mit k Elementen aus einer Menge k mit m+n Elementen. Spaltet man dann die Menge in zwei Mengen mit m und n Elementen auf so erhält man die Anzahl aller Teilmengen mit k Elementen, indem man aus der ersten Menge j Elemente wählt und aus der zweiten k-j und alle Anzahlen von j=0 bis k addiert. Die Formel gilt auch für reelle Zahlen m und n.Damit folgt:
n n 2k 2n-2k k n-k -1/2 -1/2 Σ ( )·( ) =Σ(-4) ·(-4) ·( )·( ) k n-k k n-k k=0 k=0 k -1 k (-1)·(-2)·...·(-n) n =(-4) ·( ) = (-4) ·—————————————————— = 4 n 1 · 2 · n ∎ (Jutta Gut)