Joachim Mohr Mathematik Musik Delphi
Évariste Galois (1811-1832)
Aus der Diplomarbeit 2017 von Denise Mesič
Everiste Galois erblickte als Sohn eines Republikaners am 25.10.1811 in Bourg-la-Reine in der Nähe von Paris das Licht der Welt.
- In seinen ersten zwölf Lebensjahren unterrichtete ihn seine Mutter, eine gebildete Frau, und bereitete ihm eine glückliche Kindheit.
- Mit zehn Jahren bekam er einen Platz im College von Reims, aber seine Mutter weigerte sich ihn dort hin zu schicken.
- 1823 besuchte er die private Vorbereitungsschule College von Lious-le-Grand, in der er mit der republikanischen Politik in Berührung kam. In den ersten zwei Schuljahren erhielt er Preise in Latein. Dieses Interesse flaute ab und er widmete sich vermehrt der Mathematik. Er las zuerst Adrien-Marie Legendres (1752–1833) Éléments de Géométrie, welche die euklidische Tradition der Schulgeometrie brach, wie einen Roman in einem Zug. Es folgten Arbeiten von Abel und Lagrange und mit nur fünfzehn Jahren widmete er sich bereits Veröffentlichungen, die für professionelle Mathematiker bestimmt waren. An seinen Klassenarbeiten verlor Galois jegliches Interesse. Alle, die ihn kannten, fanden, dass er eigen in seiner Person war. Es ist zu vermuten, dass Galois selbst keinen Sinn für Ordnung hatte. Dies machte sich in seinen Aufzeichnungen bemerkbar, denn viele konnten seinen Gedanken nicht folgen, weil er nur seine Ergebnisse und nicht deren Herleitung zu Papier brachte.
- Ein Jahr zu früh und ohne jedwede Vorbereitung bestritt Galois die Prüfung zur Zulassung an der Elitehochschule École Polytechnique. Ein Bestehen wäre der Startschuss für seine mathematische Karriere gewesen, aber er fiel durch, denn das Komitee konnte ihn nicht verstehen aufgrund seiner Art der Darbietung und Kommunikation.
- 1828 leitete er bei Paul-Emile Richard, der sein Talent erkannte, einen Mathematikkurs für Fortgeschrittene. Richard war der Meinung, dass es besser sei ohne Aufnahmetest die Eliteuniversität zu besuchen, weil ein großes Talent und ein armeseliger Prüfungsmodus nicht in Einklang waren. Diese Ansicht trug Richard der École Polytechnique vor, aber er erhielt keine Reaktion.
- 1829 publizierte Galois seine erste Arbeit über Kettenbrüche. Er machte fundamentale Entdeckungen zu polynomialen Gleichungen und übergab einige Ergebnisse der Académie des Sciences. Der Gutachter war Augustin-Louis Cauchy (1789–1857), der bereits einen Beitrag über das Verhalten von Funktionen unter der Permutation von Variablen verfasst hatte, das auch ein zentrales Thema der Galois-Theorie ist. Aber Cauchy verlor angeblich Galois’ Aufzeichnung. Dennoch besaß er sie noch in späterer Zeit, wie es in einem Brief erwähnt ist, denn er machte Galois den Vorschlag eine neue überarbeitete Version zu verfassen, um als Anwärter für den großen Preis in Mathematik, der größten Ehrung in dieser Disziplin überhaupt, anerkannt zu werden. Die Abgabefrist war am 1. März, Galois reichte im Februar seine Arbeit ein, aber sie ging erneut verloren, somit erhielt ein anderer den Preis.
- Am 2. Juli 1829 beging Galois’ Vater Selbstmord, nur ein paar Tage bevor Galois erneut die Prüfung für die Zulassung an der École Polytechnique ablegte. Hätte er sich vorbereitet, dann hätte er sie bestimmt bestanden. Er bekam Fragen zum Logarithmus, die er zwar beantwortete, aber in seiner eigenen Sprache formulierte. Dabei wollte das Prüfungskomitee die gängigen Ausdrucksweisen von Johann Carl Friedrich Gauß (1777–1855) hören. Somit fiel er erneut durch.
- Er studierte nun an der École Normale und beendete sein Studium mit einer exzellenten Darbietung in Mathematik und Physik mit dem Bachelor of Science und Bachelor of Letters.
- 1830 kam er der Aufforderung Cauchys nach und verfasste eine neue verbesserte Version seiner Entdeckung für die Académie des Sciences, um den großen Preis in Mathematik zu erhalten. Das Manuskript erreichte das Sekretariat, Joseph Fourier (1768–1830) nahm es mit nach Hause, um es zu studieren, aber er starb, bevor er es lesen konnte. Galois’ Arbeit war nicht mehr auffindbar und wieder wurde ein anderer mit dem Preis gewürdigt. Galois war enttäuscht, er war der Meinung, dass der Verlust seiner Manuskripte mit Absicht passierte und kein Zufall sein konnte.
- Am 25.7.1830 begann die Julirevolution. Der Auslöser dafür war, dass Charles X. die Pressefreiheit weiter einschränkte. Die Bevölkerung nahm das nicht einfach so hin. Es folgten Kämpfe und eine Revolution, die den König zur Flucht aus Frankreich zwangen und Louis Philippe wurde König. Die Studenten des Polytechnikums demonstrierten, aber Galois und seine Studienkameraden wurden vom Direktor der École Normale eingesperrt. Galois war sehr wütend darüber und verfasste einen Brief an ein Journal, in dem er den Direktor seiner Universität wild beschimpfte und versuchte den Lesern zu offenbaren, was für ein Mensch er sei. Aufgrund dessen wurde er von der Universität verwiesen.
- Galois trat in die Artillerie der Nationalgarde ein und war am 21.12.1830 in der Nähe des
Louvres aufgrund eines Gerichtsprozesses von vier ehemaligen Ministern wegen Hochverrats stationiert. Ende Dezember wurde die Artillerie aus Sicherheitsgründen abgeschafft. Galois wusste nicht, was er jetzt machen sollte.
- Am 13. Jänner 1831 wurde er Privatlehrer für Mathematik und führte Kurse zur Algebra für Fortgeschrittene. Zu Beginn belegten 40 Studenten diesen Kurs, aber er löste sich auf, weil Galois angeblich zu politisch orientiert war.
- Am 17. Jänner schickte er ein Manuskript mit dem Titel ” ¨ Uber die Bedingungen der Lösbarkeit der Gleichungen durch Radikale“ an die Académie des Sciences. Zwei Monate vergingen und Galois erhielt noch immer keine Antwort. Sein Verhalten wurde immer merkwürdiger, sogar schon paranoid, wie es seine Studienkollegen formulierten.
- Im April 1831 wurden 19 Mitglieder der damaligen Artillerie der Nationalgarde wegen eines Vorfalls in der Nähe des Louvres verhaftet und wieder freigesprochen.
- Am 9. Mai fand ein Bankett statt, bei dem ungefähr 200 Republikaner anwesend waren, die nicht gut auf ihren König Louis Philippe zu sprechen waren. Galois sprach einen Toast auf den König aus mit einem Glas Wein in der einen Hand und in der anderen einen Dolch. Diese Geste wurde jedoch als Drohung gegen Louis Philippe verstanden. Am nächsten Tag wurde Galois verhaftet, aber er wurde von der Jury freigesprochen.
- Im Juli erfuhr Galois Neuigkeiten über seine Abhandlung, die von Siméon Denis Poisson (1781–1840) als unverständlich abgestempelt wurde. Im Bericht darüber vernahm er, dass er besser seine Ergebnisse zusammenhängend in einem Werk veröffentlichen sollte und nicht separat in einzelnen Abhandlungen. Auch enthalte sein Manuskript kein Kriterium, das besagt, welche Gleichungen fünften Grades nun durch Radikale lösbar seien und welche nicht. Auch stimmte der Titel der Abhandlung nicht mit dem Inhalt überein, denn es wird kein solches Kriterium zur Lösung geliefert, aber im Titel versprochen. Deswegen kann nicht abgeleitet werden, dass eine gegebene Gleichung mit dem Grad einer Primzahl p (p ∈ P) durch Radikale lösbar ist oder nicht, weil zuerst zu verifizieren ist, ob ein Polynom irreduzibel ist und ob jede Wurzel als Ausdruck einer rationalen Funktion von zwei anderen beschrieben werden kann. Das aber war das Kernstück seiner Arbeit. Galois >gab den Gutachtern des Komitees Bedingungen für Wurzeln, aber sie wollten welche für die Koeffizienten, aus der sich die Lösbarkeit ableiten lässt.
- Am 14. Juli wurde Galois erneut verhaftet, weil er mit einem republikanischen Freund bewaffnet und in Uniform der Artillerie der Nationalgarde an einer republikanischen Demonstration teilnahm. Die beiden waren auch die Anführer der Demonstration, wobei das Tragen der Uniform und von Waffen verboten war. In der Haft - er wurde im Oktober zu sechs Monaten verurteilt - arbeitete er an seinen mathematischen Themen.
- Nach seiner Entlassung im April 1932 begann er seine erste Liebesaffaire mit Stéphanie Felicie Poterin du Motel, der Tochter eines Arztes.
- Am 25. Mai schrieb er einen Brief an seinen Freund Auguste Chevalier (1809–1868) geprägt von Enttäuschungen, wobei er auf der Rückseite einer Seite Fragmente eines Briefs von Stéphanie an ihn notierte, die die Affaire beenden wollte und ihn zurückwies.
- Wenige Tage später wurde er zu einem Duell wegen dieser Frau herausgefordert. Dies kam ihm sehr entgegen, da er mit dem Gedanken spielte den Freitod zu wählen. Sein Leben hatte keinen Sinn mehr, weil er von der Liebe und auch von seiner geliebten Mathematik enttäuscht war. Er bot sich sogar an, das Opfer in einem bewaffneten Aufstand gegen Louis Philippe zu sein. Andere behaupteten, dass Galois’ Verliebtheit von seinen politischen Gegnern ausgenutzt wurde, um einen Meuchelmord zu begehen.
- Wie dem auch sei, einen Tag vor seinem Duell am 29. Mai 1932, schrieb er Briefe an seine republikanischen Kammeraden, in denen er sich ganz und gar überzeugt zeigte, dass er im Duell sterben werde. Er hatte keine Hoffnung überleben zu können. Der wohl wichtigste Brief aber war der an seinen Freund Chevalier. Ihm vertraute er seine mathematischen Entdeckungen über den Zusammenhang einer bestimmten Transformationsgruppe und den polynomialen Gleichungen (eine Gleichung ist dann durch Radikale lösbar, wenn die Gruppe lösbar ist) und Erkenntnisse zu elliptischen Funktionen und der Integration von algebraischen Funktionen an und schilderte diese detailiert. Weiters bat er Gauß und Carl Gustav Jacob Jacobi (1804–1851) um eine Stellungnahme über die Bedeutung seiner Entdeckungen (eine Reaktion ihrerseits ist aber nicht bekannt). Immer wieder betonte er in seinen Zeilen, dass er keine Zeit mehr habe, weiter zu forschen. Seine letzten Worte waren voller Hoffnung, dass sich irgendwann irgend jemand finden und sein Gekritzel entziffern werde.
- Am 30. Mai 1832 fand das Duell mit Waffen statt. Sein Kontrahent war angeblich ein guter Freund Galois’, in fünfundzwanzig Schritten Entfernung wurden die Kugeln blind abgefeuert, denn sie konnten einander nicht ansehen. Angeblich war nur eine der Pistolen geladen und so durchbohrte die Kugel den Bauch Galois’, er ging zu Boden, aber er lebte noch. Sein Gegner verließ den Ort des tragischen Geschehens und ließ den Schwerverletzten zurück. Am nächsten Morgen wurde er bei vollem Bewusstsein gefunden und in ein Krankenhaus gebracht. Galois verweigerte aber, einen Priester rufen zu lassen. Noch am selben Tag erlag er seinen Verletzungen.
- Galois starb am 31. Mai 1832 im Alter von zwanzig Jahren, er hätte noch vieles leisten können.