Joachim Mohr Mathematik Musik
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Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 4/2024:
„Do send se jo de Stroife"
Er führte das schönste physikalische Experiment aller Zeiten in Tübingen durch
Die Physiker werden sich für alle Zukunft an Claus Jönsson (1930-2024) erinnern, als demjenigen, dem es als erstem gelungen ist in seiner Doktorarbeit bei Professor Dr. Möllenstedt 1959 (publiziert in Zeitschrift für Physik 161 (1961), S. 454-474) in Tübingen das Experiment der Interferenzstreuung von Elektronen am Doppelspalt durchzuführen. Dieses Experiment galt lange Zeit als undurchführbar. Das Experiment wurde von den britischen Kollegen im Jahre 2002 zum „schönsten Experiment aller Zeiten“ gewählt.
Nach Bekanntwerden des Resultats stimmten zwar die Britischen Kollegen überein, dass die Elektronenstreuinterferenz am Doppelspalt das schönste Experiment aller Zeiten ist, doch es war den Britischen Kollegen nicht bekannt, wer als erster dieses „schönste Experiment aller Zeiten“ durchgeführt hat.
Es war sicher ein Glück, dass Claus Jönsson dieses Experiment in seiner Doktorarbeit bei Professor Möllenstedt angegangen ist. Möllenstedt, von 1966 bis 1968 auch Rektor der Universität Tübingen, galt als deutscher Papst der Elektronenmikroskopie. Nur in seinem Institut war es möglich, Elektronenstrahlen höchster Präzession herzustellen und durch elektromagnetische Linsen zu manipulieren. Elektronen galten lange als geladene Kugeln. Erst die Quantenmechanik zeigte, dass sie auch Wellennatur haben.
Spektakulär war ein Experiment von Jönsson, bei dem er die Intensität des Elektronenstrahls so erniedrigte, dass garantiert nur ein Elektron jeweils in der Apparatur war. Dennoch entstand das Interferenzmuster. Das eine Elektron musste also gleichzeitig durch beide Spalten gehen, um die Interferenzfigur zu erzeugen.
Claus Jönsson ist in Berlin-Charlottenburg 1930 geboren und in einer nördlichen Vorstadt von Hamburg aufgewachsen. Als er 1953 zum Studium der Physik nach Tübingen kam hatte die Universität etwa 4000 Studierende. Heute sind es etwa 28.000 in einer Stadt von 91.000 Einwohnern, wobei die Studierenden schon mitgezählt sind. Schon 1953 gab es ein Wohnungsproblem für die Studierenden, so dass Claus Jönsson ein Zimmer in der 12 km entfernten Bischofsstadt Rottenburg am Neckar mieten musste.
Nach vielen durchwachten Nächten sah er eines morgens die gesuchten Interferenzstreifen. Er rief als Zeugen einen anderen Doktoranden W. Dietrich, der auch die Nacht durchwacht hatte. Der kam, sah und rief:
„Do send se jo de Stroife.“ Oder: „Veni, vidi, vici.“ wie es Caesar formuliert hätte. Doch auf Schwäbisch klingt es angemessener.
Claus Jönsson war ein sehr angenehmer Kollege, der auch mir als Theoretiker mit viel Geduld die Schwierigkeiten seines Experiments erklärte. Mit dem schönsten Experiment aller Zeiten, das lange als nicht machbar galt, wird er den Physikern auch in Zukunft in Erinnerung bleiben und die Universität Tübingen kann stolz auf ihn sein.
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