Uta Mohr
Bangladeschgruppe Hirschau
20 Jahre, die Wirkung
zeigen
Sonntag, 18. September 2022
Bangladesch-Gruppe in
Tübingen-Hirschau feiert Jubiläum
Die Bangladesch-Gruppe in Tübingen-Hirschau
feiert: Seit 2002 setzen sich Menschen in dem kleinen Ort für Menschen in
Bangladesch ein. Den Anstoß gab eine persönliche Begegnung mit Begum Rokeya,
Geschäftsführerin einer
NETZ-Partnerorganisation, und ihre Berichte aus dem
Projekt
„Ein Leben lang genug Reis“. Gemeinsam mit der evangelischen und der
katholischen Gemeinde St. Ägidius ist seitdem ein breites Netzwerk von
Engagierten in Hirschau entstanden, die durch Veranstaltungen und Besuche ihre
Verbundenheit mit Bangladesch pflegen.
Zweimal im Jahr bringt der „Tag der
Hoffnung“ die Hirschauer*innen zusammen und bietet den Interessierten Vorträge,
faire Produkte und ein inzwischen legendäres Mittagessen.
Durch die dort
gesammelten Spenden konnten seit 2002 über Tausend Menschen im Projekt „Ein
Leben lang genug Reis“ Hunger und Armut besiegen.

Zum 20-jährigen Jubiläum
wird zurückgeblickt und der Erfolge gedacht. Beim morgendlichen Gottesdienst in
der St. Ägidius Gemeinde lauschen etwa 70 Anwesende den Worten von Uta Ludwig,
der Gründerin der Gruppe. Im Gemeindehaus schwelgen sie dann zu Kaffee,
Hefezopf und Fotostrecke in Erinnerungen und informieren sich zu aktuellen
Entwicklungen in den Projektregionen. „Es war eine sehr schöne Atmosphäre“,
fasst Uta Ludwig zusammen.
NETZ dankt für das Vertrauen und die Solidarität
über viele Jahre hinweg!
INTERVIEW Voller Hoffnung
TÜBINGEN. Sie wagen den Blick über den Tellerrand hinaus: Mitglieder der evangelischen und katholischen Kirchengemeinde in Hirschau
engagieren sich seit vielen Jahren zusammen mit der Organisation NETZ für die Bekämpfung der Armut in Bangladesch.
Am ersten Advent traf sich die Bangladesch-Gruppe unter dem Motto »Ein Tag voller Hoffnung«, um über neu aufkommende Fragen und Probleme zu diskutieren.
Menschenwürde, weniger Armut, mehr Gerechtigkeit sind die Ziele von NETZ. Der Verein arbeitet mit lokalen Organisationen eng zusammen:
im Nordwesten des Landes ist dies Ashrai, die größte gemeinnützige Organisation, die sich der ethnischen Minderheit, den
Adivasi, angenommen hat.
Zusammen werden Selbsthilfeprojekte für bessere Ernährung, Bildung und Menschenrechte entwickelt. Dabei ist NETZ für die finanzielle Unterstützung,
das Qualitätsmanagement und die Kontrolle der Gelder zuständig, der Partner Ashrai leistet die Basisarbeit mit den Familien vor Ort.
Die Situation der Adivasi ist desolat. Keine Bildung, keine Arbeit, kein Besitz von Land; die Männer arbeiten in der Saison für einen Hungerlohn
als Feldarbeiter. Eine Mutter über ihre Hilflosigkeit:
»Wenn die Kinder hungrig sind, schreien sie oft, dann nehme ich sie mit nach draußen, um sie abzulenken, wenn sie dort auch noch schreien,
schlage ich sie, bis sie endlich still sind.«
Uta Ludwig engagiert sich in Hirschau seit Langem in besonderer Weise für die Partnerschaft mit Bangladesch.
ZmS: Seit Jahren arbeiten Sie für dieses Projekt und es ist Ihnen sehr ans Herz gewachsen. Was sind Ihre Beweggründe hierfür?
Uta Ludwig: Die Dritte Welt begleitet mich seit meiner Jugend, da meine Tante in Indien gearbeitet hat. Ich habe sehr früh erfahren, dass es mir hier unverdient gut geht und dass kein Mensch sich aussuchen kann, wo er geboren wird.
Wie hilft die Organisation den Familien?
Ludwig: Die Ärmsten der Armen bekommen einen Kredit über rund 260 Euro. Er setzt sich folgendermaßen zusammen: 65 Euro sind Spendengelder, den Rest geben das deutsche Entwicklungshilfeministerium und die EU dazu. Mit dem Geld kaufen die Frauen etwas, womit sie ihrer Vorstellung nach ihre Lebensumstände verbessern können. Das kann eine Ziege, eine Kuh, Hühner, eine Rikscha oder eine Ausstattung für einen Laden sein. Die Frauen bekommen regelmäßig Hilfe von einem Sozialarbeiter. NETZ hat so schon über 100 000 Menschen erreicht.
»Die herzliche Gastfreundschaft hat mich überwältigt«
Vor zwei Jahren sind Sie selbst nach Bangladesch gereist und haben einige Familien besucht. Was haben Sie erlebt?
Ludwig: Ich konnte die Verzweiflung in den Gesichtern der Menschen sehen, aber auch, wie stolz sie waren, ihre selbst verdienten Reissäcke im Stall zu haben. Ich habe auch Schulen besucht. Schule heißt: eine Wellblechhütte mit bis zu 30 Schülern von sechs bis dreizehn Jahren in einer Klasse. Die Schüler sind unendlich froh, etwas zu lernen.
Haben Sie den Eindruck, dass die Hilfe wirklich bei den Familien ankommt?
Ludwig: Ein ganz klares Ja. Die Organisation will sich nicht bereichern, sie wird gestützt durch viele ehrenamtliche Helfer. Die Sozialarbeiter arbeiten bis zu 60 Stunden pro Woche. Daran wird deutlich, mit welch großem Engagement sie ihre Arbeit tun.
Werden Sie wieder nach Bangladesch reisen?
Ludwig: Ich würde gerne noch einmal dorthin reisen, da es mich sehr berührt hat, wie die Bangladeschi füreinander einstehen und sich gegenseitig unterstützen. Sie sind sehr dankbar für unseren Einsatz. Die herzliche Gastfreundschaft hat mich überwältigt und übertrifft die der Deutschen bei weitem.
(ZmS)
Alexander Schaut, Wildermuth-Gymnasiums Tübingen, Klasse 9g, am 13.12.2012