Vom Singen und Tanzen im Hohenloher Land
von Klaus Mohr
Die Singwochen und Singtreffen von Hanna und Heinrich Mohr de Sylva
1925-1962
Mit einer Einleitung über die sie prägende Zeit bei dem Jugendbund der
„Adler und Falken“ und der „Deutschen Falkenschaft“ von Wilhelm
Kotzde-Kottenrodt
Eine Beschreibung in Wort und Bild nach den im Hause Mohr hinterlassenen
Akten und Bildern
Klaus Mohr
Tübingen-Kilchberg
2009
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Inhalt
Teil I Textteil
Seite
7 Vorwort
10 Die Quellen
Das Mohrsche „Archiv“ - Ungebundenes Material und
sonstige Schriften
Die Gästebücher
13 Das Leben von Heinrich und Hanna Mohr de Sylva
von 1919 bis 1950
13 Einleitung: Hanna und Heinrich Mohr in der
Jugendbewegung
13 Überbündische und andere Verbindungen
15 Der Evangelische Volksbund
16 Die Finkensteiner um Walter Hensel und Richard Poppe
16 Der Schwarzhäuser Ring und die Rolandsgilde
18 Die „Bünde“
18 Der Deutschbund
19 „Die Adler und Falken“ und „Die Deutsche Falkenschaft“
20 Exkurs: Die angemessene Kleidung und das angemessene Benehmen
22 Kurzer geschichtlicher Überblick über die „Adler und
Falken“ und
„Die Deutsche Falkenschaft“
30Exkurs: Der Bund der Artamanen
30 Die Anfänge von Hanna und Heinrich Mohr bei den Falken
35 Die Aktivitäten von Heinrich Mohr bei den „Adler
und Falken“ und in der
„Deutschen Falkenschaft“ seit 1925
35 Die Arbeit bei den „Adler und Falken“
48 Die Arbeit in der „Deutschen Falkenschaft“
51 Weltanschauliche
Gedanken von Hanna und Heinrich Mohr
56Die Leitfigur „Vater Kotzde“ und seine Weltanschauung
62 Nachtrag: Wass wusste Wilhelm Kotzde von KZs und
„Judenaktionen“?
Hauptteil
63 Die Musik- und Singwochen von Heinrich Mohr
63 Einleitung
64 A Die Musik- und Singwochen, an denen Heinrich Mohr de Sylva
„einfacher Teilnehmer“ war
69 B Die Singwochen von Heinrich Mohr im Hohenloher Land
von 1925-1951
72 I Tonbandprotokolle von 1975
79 II Mohrs Einstellung zum Lied
79 1. „Bewusst christlich und bewusst völkisch.“
83 2. „Musik des Heiligen“ gegen „Teuflische
Musik“
86 III Die Singwochen von Heinrich Mohr
86 Einladungen
88 Werbung und Pressearbeit
88 Versammlungsorte der Singwochen
89 Kosten
89 Namenslisten
89 Herkunft der Teilnehmer
92 Terminsuche
92 Anfahrt
92 Unterbringung
92 Nikotin- und alkoholfrei
92 Integration
93 Fritz Strempfer – ein kompetenter Helfer in Organisation und
Chorleitung
95 Ablauf der Singwoche
95 Die Arbeitsweise Mohrs und Kritik daran
98 Singwochenberichte und Gruppenaufnahmen
98 Ein Beispiel unter vielen: Die Singwoche in Döttingen 1928
100 1. Die Notizen des Singfreizeitleiters Heinrich Mohr
104 2. Der Bericht über die „Singefreizeit“ der Künzelsauer
Teilnehmerin
108 Die Liedauswahl
110 Dankbarkeit der Teilnehmer
110 Musik und Rasse – Mohrs ideologischer Ansatz
116 Bedeutung der Singwochen im Hohenloher Land
116 Pfarrer und Singwochenleiter – Mohrs Sonderurlaub
118 Mohrs neue Bindung – Hanna Gerber – und deren Einstellung zur
Singwochenarbeit
121 Mohrs Verhältnis zu Hensel und Jöde
122 Christlich-Pietistische Kritik am „sittlichen“ Verhalten des
Pfarrers Heinrich
Mohr
125 Örtliche Intrigen
125 Namensliste der Mitarbeiter („Führer“) und Multiplikatoren
125 IV Die Singwochen nach der Machtergreifung im Januar 1933
oder
Der gescheiterte Versuch der Weiterführung der Singwochen innerhalb des
Systems
125 Die Not der Jahre 1925-1933
126 Die anfängliche Zustimmung von Heinrich u. Hanna Mohr
zur Machtergreifung
127 Das Creglinger Pogrom vom März 1933
127 Weiterarbeit wie bisher?
132 Neue Organisationsformen
134 Zunehmende Schwierigkeiten mit der H. J. -Führung
138 Mohrs Onolzheimer Ansprache über den christlichen Glauben im Sinne
Rosenbergs
142 Mohrs Stellung zu Wilhelm Kotzde-Kottenrodt
142 Der Anfang vom Ende der Singwochen im NS-Staat
143 Die Ausbootung Fritz Strempfers
145 Die letzten Singwochen
148 Die Jahre von 1936 – 1945
149 V Die Singwochen von Heinrich Mohr de Sylva nach dem 2.
Weltkrieg
151 VI Die letzten Jahre
Teil II - Terminliste
152 Terminkalender Mohr - Liste nach den Mohrsâ€â„¢chen Akten von (allen
bisher bekannten) Singtreffen und –wochen und vielen weiteren Terminen, an
denen Heinrich Mohr teilnahm
Teile III und IV - Bilder
Teil IIIa
163 Bildergalerie über die Treffen bei den „Adler und Falken“ bzw. in
der „Deutschen Falkenschaft“ aus der Bildersammlung Mohr
Teil IIIb
185 Bildergalerie über die von Heinrich Mohr hinterlassenen Singwochen
und –treffen
im Hohenloher Land
Teil IV
230 Weitere Bilder der Bildersammlung
(Betrifft u.a. Veranstaltungen, bei denen Mohr nicht anwesend war,
Lehrer Oertels Jugend, außerdem die Hochzeit Wacha und schließlich weitere
Bilder, die nicht zugeordnet werden können)
Hanna und Heinrich Mohr 1945
Vorwort
Die Singbewegung im Hohenloher Land „fand im Hauptteil der reiferen
Jugend des fränkischen Landvolks einen solchen Widerhall, dass in den Jahren
1928 - 1936 von einer wirklichen Bewegung unter dieser im Alter von 18 – 28
Jahren stehenden Jugend gesprochen werden konnte“.1 Sie wurde „im
Finkensteiner Geist“ begründet und durchgeführt vom jungen Pfarrer in
Steinkirchen am Kocher, Heinrich Mohr de Sylva (1891-1989). Dieser hatte in
der Jugendbewegung viele Anregungen bekommen und vor allem im rechtsstehenden
Bund der „Adler und Falken“, gegründet von Wilhelm Kotzde-Kottenrodt,
aktiv mitgewirkt.
In dieser Arbeit soll nun, ausgehend von den im Hause Mohr verbliebenen
Akten und Bildern, diese Singwochenarbeit im Hohenloher Land gewürdigt werden
(S. 63-148). Gleichzeitig aber werden im Einleitungsteil die Bünde und
Einflüsse aufgezeigt, die Heinrich Mohr de Sylva innerhalb und außerhalb der
Jugendbewegung prägten, vor allem durch sein geistiges Leidbild, den Vater
Kotzde (S.13-62). Eine chronologische Aufzählung all seiner Termine außerhalb
des Berufes (S. 149-159) und ein umfangreicher Bilderteil aller bisher nicht
veröffentlichen Bilder seiner Bildersammlung, vor allem aus der Zeit vor 1945
(S. 160-234) schließen sich an.
Heinrich Mohr de Sylva stammte aus einer württembergischen Beamtenfamilie
(sein Vater war Richter, viele Vorväter und Onkel waren Pfarrer), deren
Stammbaum sich weit zurückverfolgen lässt. Genealogie war ein Hobby, das er
schon als Schüler in den Evangelischen Seminaren Maulbronn und Blaubeuren,
und als Student im Evangelischen Stift in Tübingen (dazu siehe
„Fotoalbum eines Stiftsstudierenden“)
pflegte.
Dabei fand er in alten Urkunden, dass die Familie seines Vaters (1860-1935),
der sich nur „Heinrich Mohr“ nannte, den Namenszusatz „de Sylva“ oder
„vom Wald“ oder „von Hürbel zu Wald“ trug. Dieses tat er seit
ungefähr 1940 auch und unterschrieb seither oft mit Heinrich Mohr de Sylva; in
dieser Arbeit entspreche ich manchmal seiner Gewohnheit und schreibe entweder
den Namen aus oder nenne ihn Heinrich Mohr mit oder ohne den Zusatz d. S.. Dass
er mit Friedrich Silcher und Hermann Kurz verwandt war und mit Isolde Kurz im
Kontakt stand, erfüllte ihn mit Stolz.
Heinrich Mohr war im Hauptberuf Pfarrer der evangelischen Landeskirche
Württemberg. Er war aber gleichzeitig auch ein großer Musiker, spielte
Klavier1, Orgel und Cello und betätigte sich als Chorleiter. Schon in
früher Jugend, als Schüler in den Seminaren und als Student im Tübinger
Stift und in der (im Stift beheimateten) Studentenverbindung „Luginsland“
hat er es zustande gebracht, musik- und singbegeisterte Menschen um sich zu
scharen und mit ihnen öffentliche Konzerte zu geben.
1907 wurde im Seminar in ihm die Idee geweckt, sich für die Stelle des
Musikdirektors am Ev. Stift, verbunden mit den Aufgaben eines Kantors an der
Stiftskirche zu bewerben. Leider, so hat Mohr immer wieder betont, habe er
sich später nicht darum bewerben können, da ihm sein krankes Knie am
technisch versierten Orgelspiel gehindert habe; so habe er eben seinen Freunden
Richard Gölz und Walther Kiefner2 diese Stelle überlassen müssen.
Er selbst führte im Gespräch mit mir (siehe S. 72: Tonbandprotokoll) die
Idee der Singtreffen- und Singwochenarbeit auf seine Erfahrungen in seinem
Mergentheimer Vikariat 1913 zurück. Als solcher hat er sich bei manchen
Chortreffen in einer Art bewährt, die über die Arbeit eines
KirchenchorÂÂleiters einer kleinen Gemeinde weit hinausgehen.
Heinrich Mohr war stolz darauf, dass er mit dem Fürstenhaus derer von
Hohenlohe-Langenburg befreundet und den jungen Prinzessinnen Orgelunterricht
gegeben hat.
Im Nachlass der Mohren befinden sich einige Ergebenheitsadressen an
Bismarck und verÂÂschiedene regierende und nicht mehr regierende Fürsten des
beginnenden 20. Jahrhunderts; eine christlich-konservative Weltsicht bestimmte
das Denken im Elternhaus und beim verehrten Onkel, Pfarrer Karl Schnizer,
dessen Frau die Schwester seines Vaters war.
Johanna Mohr geb. Gerber, unsere Mutter, entstammte einer thüringischen
Familie; ihr Vater war Oberbürgermeister von Chemnitz und danach Minister des
Herzogs von Sachsen-Altenburg. 1918 wurde er arbeitslos – im Hause Gerber
wurde die Revolution und die sie begrünÂÂdende Demokratie nicht akzeptiert;
man blieb christlich-monarchisch-konservativ eingestellt. Richard Gerber konnte
nach 1918 wenigstens als evangelischer Kirchenpfleger ein kleines EinkomÂÂmen
erzielen; trotzdem musste die jüngste Tochter Hanna als Volksschullehrerin
möglichst bald Geld verdienen.
* * *
Ein Buch über den eigenen Vater, die eigene Mutter zu schreiben: Ist das
nicht ein zu schwieÂriges Vorhaben?
Heinrich und Hanna Mohr sind einerseits die Eltern von uns sieben
Geschwistern, die – wie ich denke – von uns allen geliebt wurden und denen
wir so vieles verdanken. Mich – der ich als einer der beiden Jüngsten erst
nach 1945 das Leben der Eltern mit bekam - haben sie besonÂders geprägt in
der Liebe zu den Menschen, zur Musik und – der Vater auch – zur Geschichte.
Heinrich und Hanna Mohr sind andererseits Menschen der 1. Hälfte des 20.
JahrhunÂderts, die in den Wirrungen dieser Zeiten manche für uns nicht
nachvollziehbare LebensÂweisen pflegten und weltanschauliche Gedanken hegten.
Es sind dies die Übernahme der Gedanken der JugendÂbewegung und deren
„völkischen GedanÂken“ mit antisemitischem Einschlag, es ist dies aber
auch die sehr deutliche Zuwendung zu den Zielen des „Aufbruchs“, des
„Neuen Reiches“, des scheinÂbar überall erwarteten neuen „Führers“
Adolf Hitler, denen sie anhingen und mit ihrer Arbeit, zumindest bis
1935/1937, dienten.
Wir Nachgeborenen haben von dieser Verstrickung nicht viel gewusst, wir
haben aber auch nicht viel danach gefragt. Selbst als ich in den 1970er Jahren
auf die Idee kam, Vater nach seinem Leben zu befragen und seine Erzählungen
auf Tonbandkasetten aufzunehmen, habe ich ihn nur mit einigen Stichwörtern
erzählen lassen und nicht genügend tief gefragt, da ich selbst keine Ahnung
von seinen Aktivitäten vor 1945 hatte. Dennoch sind die acht Stunden
Gespräche eine wichtige Quelle dieser Arbeit geworden.
Natürlich wussten wir ganz genau, dass er einen großen Stammbaum hatte.
Ja, dass er sogar von Karl dem Großen abstammte, hat er oft betont; schon als
Student war ihm die Erforschung genealogischer Zusammenhänge wichtig und viele
Ahnenbilder (Ölgemälde, Stiche, Fotos) in seinem „Hausmuseum“ hatte er
ständig um sich herum und wollte sie vielen Besuchern erklären.
Ebenso häufig hat er erzählt, dass er viele Singwochen gehalten hatte;
an den letzten in den Jahren 1959 bis 1961 konnten wir Anteil nehmen und mit
erleben, was für ihn die „Singwochen“ bedeuteten.
Und wir sahen, dass er Kontakte zu vielen gesellschaftlich führenden
Menschen pflegte, ihre Bilder im großen Pfarrhaus an die Wand hängte und
Autogramme sammelte.
* * *
Der Anstoß zu dieser Arbeit kam von außen: Charlotte Wäsche aus Bad
Mergentheim, die eine Magisterarbeit über Richard Poppe und die Rundbriefe des
Finkensteiner Bundes nach 1945 verfasst hat1, suchte und sucht die Rundbriefe
des Bundes aus der Zeit vor 1945. Dabei stieß sie auf eine Information, dass
Heinrich Mohr de Sylva alle gesammelten Rundbriefe vor 1945 habe2 – im
Internet stieß sie auf die Kilchberger Mohren.
Aus diesem Grunde war ich gezwungen, alle Mohr’schen schriftlichen
HinterlassenÂschafÂten durchzusehen. Diese waren 1976, als die Eltern ihre
größere Wohnung auf dem TübinÂger Österberg altershalber verließen und
ins Luise-Wetzel-Stift zogen, immer noch in den gleichen Kisten oder
Schachteln, in die sie 1965 beim Auszug aus dem Kilchberger Pfarrhaus gelegt
worden waren; manche Schachteln waren weitaus älter. In der Recherche nach
den „FinkenÂsteiner Rundbriefen“, die, wie ich von den Geschwistern
hörte, früher mal (wann?) auf Vaters Schreibtisch lagen, erfuhr ich, dass
noch viel mehr Material in den JahrÂzehnten seit 1964 weggetan worden war –
wohin, wusste man nicht, für mich jedenfalls nicht erreichbar. Andererseits
merkte ich bei der Durchsicht des noch vorhandenen Materials, dass sich daraus
vieles erschließen lässt, was das Leben unserer Eltern bis in die Zeit nach
dem zweiÂten Weltkrieg näher beleuchtet.
Und – vor allem – ich fand einen großen Schatz alter Fotos aus den
Jahren 1920 – 1961, relativ geordnet in Briefumschläge, in die sie in ihrer
Entstehungszeit gesteckt worden waren, wie man das halt in vielen Häusern tut,
wenn man keine Zeit hat, sie in Alben einzukleben.
All das führte zu diesem Manuskript, das ich nun meiner Familie
übergeben kann, versehen mit einem umfangreichen Bilderteil, das alle Bilder
enthält, die von heinrich und Hanna Mohr zur Jugendbewegung vor 1945
hinterlassen worden sind. Sie der Forschung zu überlassen ist mir wichtig, da
solche Bilder relativ selten zu sein scheinen, auch wenn ihre Qualität nicht
immer die Beste ist..
Fußnote 1 So Dekan i. R. Hohenstatt 1957 (Siehe Seite 71f)
Fußnote 2 Beim Interview 1975 erzählte er mit großem Stolz, dass er bereits mit 16 ½
Jahren im Seminar einem Vertreter des Konsistoriums, Herrn Ableitner,
Mendelssohns Rondo Capriccioso vorspielen konnte. Ableitner habe ihm dann
gesagt, mit diesem Können sei er geeignet, an die Musikdirektoren Stelle in
Tübingen zu denken.
Fußnote 3 Von Walter Kiefner, mit dem er 1964 - 1975 im Ruhestand in Tübingen im selben
Haus wohnte, stammte eine Würdigung zum 70. Geburtstag in den Blättern für
Württ. Kirchenmusik (Mai/Juni 1961), die ihn sehr gefreut hat: Portrait eines
schwäbischen Pfarreroriginals.
Fußnote 4 Wäsche, Charlotte: Vom Singen im Volke; Richard Poppe (1884-1960) und die
Ideale des Finkensteiner Bundes. Würzburger Hefte zur Musikpädagogik Vol.
2 ISBN: 978-3-8236-1507-1
Fußnote 5 Das ist leider nicht der Fall, lediglich zwei Rundbriefe Nr. 36 und 40 von
1934 konnte ich finden.