Hella Mohr
Während Isoldes Kurz Vater Hermann Kurz (1813-1873) sich den Auftritt eines Geistlichen an seinem Grabe verbat, war
es der Wunsch von Isolde Kurz, dass Pfarrer Heinrich Mohr de Sylva bei Ihrer Bestattung einen Trauergottesdienst
leitete.
1. Tim. 6, 16: "Unserem Gott, der allein Unsterblichkeit hat, der da
wohnt in einem Licht, da niemand zukommen kann, welchen kein Mensch
gesehen hat noch sehen kann; dem sei Ehre und ewiges Reich!" Amen
Vernehmt in Andacht die Worte Heiliger Schrift Neuen Testaments
1. Kor. 13, Verse 12 und 13: " Wir sehen jetzt durch einen Spiegel...
aber die Liebe ist die größte unter ihnen."
Es ist nicht meine Aufgabe hier, ein allgemeines Lebensbild zu
zeichnen. Wir, die wir hier sind, kennen es und viele haben schon
darüber geschrieben und werden auch noch schreiben. Wir wissen auch
wie unsere Heimgegangene in der Öffentlichkeit ausgezeichnet war,
noch kürzlich durch die Goethe - Medaille des Führers zu ihrer
früheren grossen goldenen Medaille für Kunst und Wissenschaft,
durch den philosophischen Ehrendoktor der Universität Tübingen
als Mitglied der Dt. Akademie für Dichtung und Ehrenmitglied des
Dt. Schillervereins usw. Und in anderer Feier wird sie besonders
gerühmt werden und wird wohl in viel Liebe ein Lebensbild von ihr
gezeichnet werden.
Vielmehr spreche ich als Pfarrer der Evangelischen Landeskirche.
Ich weiß: Viele werden sich wundern, daß bei dieser alten begeisterten
Griechin und dieser altgermanischen Seherin, die als Kind
schon vom germanischen Heldenfeuertod schwärmte, ein Pfarrer der
Landeskirche sich die Freiheit nimmt im christlichen Talar zu reden.
Aber es ist nicht meine Freiheit, sondern ausdrücklicher Befehl und
Wunsch meiner lieben Base Isolde, dass sie christlich bestattet werde,
und sie hat mich eigens deshalb einmal nach München berufen und
nochmals im Jaunuar dieses Jahres den Auftrag wiederholt, ihr als
Pfarrer der Landeskirche die letzte Rede zu halten. Es ist ihr ein
ganz wichtiges Anliegen gewesen, wahrhaft hineingestellt zu bleiben
in die große deutsche christliche Kultur
und ja nicht herausgerissen
zu werden aus ihr. Merkwürdig, sie hat ja ausdrücklich gesagt:
"Dass du mich dabei aber nicht als fromme Christin ausmalst und
schilderst; ich habe das nie gelernt und bin es nie gewesen".
Aber es lag diesem seherischen und tiefschürfenden Geist fern, sich
ausnützen zu lassen gegen das Christentum. Damit ist meine Aufgabe
hier klar vorgezeichnet, unbeirrt von den Meinungen rechts und links
zu zeugen hier von den ewigen Werten und Dingen angesichts des Todes
und der Ewigkeit.
Wir gedenken aber zuvor in der Stille ihres großen Vaters Hermann
Kurz und der feinsinnigen Mutter aus dem Geschlechte derer von
Brunnow und von Oetinger, ihrer genialen Brüder in Florenz und in
München (ihres Bruders Erwin; "Bismarck" in der Walhalla in Regensburg
wird, will`s Gott den Deutschen noch lange vor Augen stehen), ihres
strahlenden Neffen Thole, des Kirchenerbauers (möge doch durch die
Engländer seine St. Gabriel - Kirche in München verschont bleiben!)
und ihrer erst vor zwei Jahren in meinem Hause in Creglingen verstorbenen
innigsten Blutsfreundin, einer wahrhaften Christin, Helene
Pommer, geb. Kurz, und des letzten Kurz aus dem Mannesstamme,
Eberhard Kurz, Baurat in Ehingen, in Rußland für unser Vaterland gefallen.
Und wir gedenken auch hier ihrer treuen Pflegerin Lisa Betz,
die in Glaube, Hoffnung, Liebe ihre innig verbundene, langjährige
verbundene Dienerin war.
Mein Zeugnis kann und soll ja nicht in dogmatischer und apodiktischer
Form erfolgen und darf auch nicht mit meinem persönlichen Bekenntnis
identisch sein. Sondern es soll erfolgen im Sinn unseres Schriftwortes,
über das ich manchmal mit unserer Isolde gesprochen habe. (Sie selbst
hat mir dazu bemerkt, sie verstehe dieses Wort erst ganz, nachdem sie
einmal in einen trüben alten römischen Spiegel gesehen habe):
"Wir sehen jetzt durch einen Spiegel..."(siehe Text). Wir haben und erkennen
nicht die ewigen Dinge wie sie sind aber wir ahnen sie und
spüren sie und haben die Sehnsucht nach ihnen. Aber die ewigen Kräfte
ragen doch auch hinein in diese Welt: in Glaube, Hoffnung und Liebe.
Wenn ich es mit dem manchen bekannten christlichen Gleichnis vom
Teppich zeigen darf: Wir sehen die Dinge des Lebens hier auf dieser
Welt, wie man das Gewebe eines Teppichs von unter her sieht: ein Gewirr
von Fäden, ohne Sinn und Ziel, greuliches Durcheinander. Im Licht
Gottes aber - sub specie aeternitatis - ist der Teppich von oben
betrachtet sinnvoll, ein wundersames Gewebe mit Sinn und Ziel der
Weltgeschichte und des Lebens der einzelnen Persönlichkeit. In diesem
Sinne verlese ich gerne das mir von besonderer Seite für diese Feier
soeben erst in die Hand gedrückte Gedicht von Goethe über den Tod,
ganz im Sinne der Vollendung der Pilgerfahrt unserer Isolde:
"Was ist der Tod? Ein holder Genius,
Der erste Blick auf kaum geahnte Wonne,
Des höheren Strebens milder Weihekuss,
Die Morgenröte einer neuen Sonne.
Das ist der Tod. So sieht der Würger aus.
Ein Engel, der uns führt zu neuem Leben.
Schön wie der Tag und nicht wie Nacht und Graus.
Schön wie die Welt, zu der wir aufwärts streben."
J. W. von Goethe
So, liebe Freunde, setzen wir zwei Welten einander gegenüber: Die irdische, vergängliche, sichtbare Welt und die ewige, unvergängliche,
uns unerreichbare Welt. Zwei Welten stehen einander gegenüber,
die irdische Welt des Todes, der Verstricktheit in Schuld (Schiller:
"Der Übel größtes aber ist die Schuld.") und Sünde, das heisst
Sonderung von Gott. Es ist die Welt, die sich von Gott lossagt, dem
Vater und die seine Sendboten ans Kreuz schlägt einst und jetzt,
Die Welt der Sinnlosigkeit und des Wahns, im Grossen und im Kleinen,
wie Richard Wagner den Hans Sachs sagen lässt: "Wahn, Wahn! Überall
Wahn!" "Wohin ich forschend blick, in Stadt und Weltchronik..."
Dieser Welt gegenüber steht die Welt der ewigen Dinge, die Welt der
unsere Isolde angehört und nachgestrebt hat und die für uns Christen
so hell aufstrahlt in dem Heiland, dem Mittler zwischen Menschen und
Gott, wie der Seher des Dritten Reiches, H. St. Chamberlain sagt - er
schließt sein tiefstes Buch "Mensch und Gott" mit dem Worte Christi:
"Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben, niemand kommt zum
Vater, ausser durch mich" - und wie ihn der andere Seher des 3. Reiches
Dietrich Eckart in seinem grossen Gedicht vom Christopherus anruft:
"Nimm mich hin, du Mächtigster von allen; ewig Christus will ich dir
gehören!" Diese Welt ist das Reich des Glaubens, der Hoffnung und
der Liebe, dieser drei, von denen wir noch reden müssen.
Und seht, das war nun die bange Sorge unserer Isolde um die Zukunft
des Reiches der Deutschen, daß sie doch nicht dieses geistige Reich
verlieren und im Materialismus versinken möchten. Dieser Materialismus
ist ja niemals deutsch: vielmehr ein Erbe von England, etwa
Bentham und Smith, und von Frankreich, von der französischen Revolution
mit der Abschaffung Gottes, und einem schlechten Weibsbild
als sogenannter Göttin der Vernunft. In diesem Sinne hat unsere Isolde
ihre bange Sorge gehabt und mir wörtlich gesagt: 4
"So viele (wörtlich "der Goebbels und seine Leute...") wollen das
Christentum abschaffen! Was für eine andere Religion wollen sie uns
denn geben? Etwa die Entwicklung zum Materialismus des grösstmöglichsten
irdischen Glücks? Oder vielleicht den Buddhismus und die
Lebensverneinung? Oder nur eine Erneuerung des alten vergangenen
Germanenglaubens und Griechenglaubens, der zur Götterdämmerung
führt und zum Weltenbrand und nicht hinausführt aus dem Wahn der
Welt? Was haben wir den Besseres als das Christentum? Und darum
will ich christlich bestattet werden."
Ja, wenn sie selbst doch nicht als fromme Christin hingestellt
werden wollte, wie konnte sie dann so reden? Aus der tiefen Lebensschau
der geistigen Dinge und aus dem Urgefühl biologischen Denkens
heraus, das nicht künstlich abbrechen will, sondern organisch entwickeln
lassen und weiterführen, und aus der Verbundenheit der
tausendjährigen letzten Geschichte und dem Lebensgefühl und Lebensstil
der frommen Ahnen: der fränkische Oetinger in Archshofen bei
Creglingen und Hohlach, dem Stammort der Hohenlohe. So erlebe ich
ja heute noch in Creglingen die fränkische Frömmigkeit nicht
individualistisch - egoistisch ("Wenn nur ich in den Himmel komme") sondern
organisch - soziologisch: Man fühlt sich auch im Tiefsten,
in der Anbetung Gottes, als Glied in der Kette, die von den Ahnen
zu den Enkeln führt, und als Glied der gegenwärtigen Gemeinschaft
der Gläubigen, das heisst der Kirche, der Vergangenheit, Gegenwart
und Zukunft gleich verantwortlich. So soll darum auch hier und heute
unsere Isolde bewusst in den großen Zusammenhang und Zusammenklang
auch der anderen Stimmen gestellt werden von Goethe bis Tersteegen.
In diesem Sinne treten wir ein in das Reich des Glaubens, zunächst
der Väter, um nur einige unserer gemeinsamen Väter zu nennnen;
Kuhorn - Mager, Stifter vom frommen Ölberg zu St. Leonhard in Stuttgart,
der Prälat Dr. theol. Varnbühler in Hirsau, der Generalsuperintendent
Pfaff von Denkendorf und Urach, die Pfarrer Roth und Metz
von Hedelfingen und Dornhan u. a., der Bläsibadwirt Löffler in Tübingen.
Dazu von ihrer Seite der fromme Onkel Oettinger, Prälat in
Murrhardt, Bruder ihres Ahn, der den Geistern gepredigt hat.
Unsere gemeinsamen Ahnen Schramm von Petershagen in Westfalen: Auch 5
die niedersächsischen Dome, die unsere Vorfahren gebaut haben, sind
Zeugen von ihrer christlichen Frömmigkeit! Dem entsprach auch das
Urteil unserer Isolde in der Gegenwart, etwa über Prälat Planck,
den Seelsorger der Familien Pommer und Kurz in Esslingen und sein
Buch: "Dieser ist in Wahrheit ein edler Mensch gewesen und von der
Art des milden Apostels, die unserer Zeit Not tut. Möge sein Geist
weiterwirken und Nachfolge finden. Dass sich dieser Geist im Alter
nicht verengt, sondern im Gegenteil auf weitere Gesichtspunkte eingestellt
hat, gereicht ihn in meinen Augen besonders zur Ehre."
Und so war ihr eigener Glaube: Es gibt einen Sinn des Weltgeschehens:
nicht Gott schweigt, wie viele heute irre werden an der Vorsehung,
sondern: Gott denkt! Sie erzählte mir mehrmals ihren merkwürdigen
Traum kurz nach Ausbruch dieses Krieges. Da sah sie sich in einem
vieleckigen Raum, erfüllt von einer graugrüngelben Atmosphäre und
hörte plötzlich eine Stimme: Alles still! Gott denkt! Immer wieder
wollte sie wissen, was das bedeutet. - Das bedeutet: "Du Menschenkind,
sei ehrfürchtig, in dem Nebel deines Daseins sei ehrfürchtig
vor Gott und bedenke, dass Gott denkt, das heisst dass Gott einen
Sinn in dem Weltgeschehen und dein dunkles Dasein legt, dass Gott
im Regimente sitzt, auch wenn er selbst wohl manchmal den Atem anhält
und schweigt und schauen will, was die Menschlein von sich aus
vermögen: Alles still, Gott denkt! Es gibt eine Geborgenheit trotz
allem Nichtwissen:
"Du hoher Geist, vor den ich hoffend trete,
Du weisst von mir, was niemals ich gewusst.
Verlornes Kind, entatmend im Gebete,
Leg ich mein Haupt an deine Gottesbrust."
(Vanadis, Seite 716)
Ist das nicht doch, obgleich nicht christlich, dennoch die gleiche
Haltung, wie sie Gorch Fock hatte, (in seinem Tagebuch): "Auch das
Meer ist nur die hohle Hand meines Heilands, aus der mich nichts
reissen kann". Aus dieser Geborgenheit heraus kam auch ihre Einstellung
zum Leiden. Die Pflegerin berichtete: Seit Ende Januar
war sie schwer krank. Nie kam die geringste Klage über ihre Lippen.
Wenn sie gefragt wurde wie es ihr geht, dann gab sie zur Antwort:
"Darüber sprechen wir lieber nicht." Sie schlief sanft ein, ohne
Kampf, mit einem ungemein grossen Frieden auf ihrem Antlitz".
Entspricht das nicht unserer christlichen Haltung "durch Leiden
gereift, durch Schmerz verkärt: man muß durch die niedere Tür hindurch
und sich bücken und Ja sagen zum Himmelsvater. Freilich war
es ihr ein wichtiges Anliegen: Man darf und soll sich gegen den
Schmerz wehren. Aber wenn der Vater den Leidenskelch nicht von uns
nimmt? "Wir wissen, daß denen die Gott lieben, alle Dinge zum
Besten dienen". (Römer 8, 28)
Unser Leiden prägt der Meister
In die Seelen, in die Geister
Sein allgeltend Bildnis ein.
Wie er dieses Leibes Töpfer,
Will er auch des künftgen Schöpfer
Auf dem Weg der Leiden sein.
(K. F. Hartmann, Ges. Buch 375, V. 2)
"Des künftgen Schöpfer"......führt zu: dem Reich der Hoffnung!
Das Reich der Ewigkeit setzen wir in trotzigem Dennoch entgegen dem
Reich des Todes und der Vergänglichkeit. Wenn heute die Soldaten
singen: "Kann dir die Hand nicht geben, bleib du im ewigen Leben..."
so ist uns das Ausdruck des christlichen Glaubens unserer Väter
und von uns selber: "Ich glaube an die Auferstehung der Toten und
ein ewiges Leben". Diese christliche Hoffnung ist echt arisch. Wie
stark hat sich zum Beispiel ein Graf Reventlow berufen aus Seite 336
in "Mein Kampf", wo vom Glauben an ein Jenseits die Rede ist, der
den Juden vollkommen fremd sei. "Man kann sich aber eine Religion
nicht arischer Auffassung nicht vorstellen, der die Überzeugung des
Fortlebens nach dem Tode in irgend einer Form mangelt." Wie hat
diese Frage unsere Isolde zeitlebens bewegt. Das D a s steht fest,
aber das W i e wissen wir nicht und möchten so gerne hinüberschauen!
Sie war eine Iphigenie, am Gestade sitzend mit dem Blick hinübergerichtet,
das Land der Griechen mit der Seele suchend. Hat sie doch
auf ihrem Grabstein den Spruch selbst bestimmt:
"Fern überm Wasserpfade
Flimmert zur Nacht ein Schein.
Lichter vom anderen Gestade:
Was mag sein?"
So ist das Leben unter diesem Aspekt eine "Pilgerfahrt nach dem Unerreichlichen".
Wanderer zwischen beiden Welten sind wir, sagt Walter
Flex, und der fromme Tersteegen singt: "Ein Tag der sagt dem andern:
mein Leben sei ein Wandern zur grossen Ewigkeit". (Gb. 73) Wie sagt
unsere Isolde über den Gottessohn in der Ewigkeit und den Ruf an uns
von dort herüber: "Wart ihr im Kloster von San Marco in Florenz?
fragte Vanadis. Dort an einer Mauer befindet sich ein Bild von Fra
Angelico, über dem man endlos sinnen könnte. Es heisst Christo in
Pretorio und stellt den verspotteten Gottessohn dar, nicht mehr in
Knechtsgestalt und nicht mehr als der Sohn, sondern ganz Gott selbst
geworden, auf seinem Weltenthron sitzend. Noch mit der Binde um die
Augen, aber den Erdball in der Hand, als der einzig Seiende der
Zeitlichkeit entrückt. Um ihn im Leeren sind Münder, die nach ihm
spucken, sind Hände, die nach ihm schlagen, nach ihm stechen, Hände
ohne Körper, sie erreichen ihn nicht, sie hängen klein und kraftlos
im Raum der keiner ist und sie sind selber nicht. Das ist ein wie
aus indischer Gedankentiefe geborenes Gleichnis des Zeitlosen in
seinem Verhältnis zur Zeitlichkeit, die es nicht berühren kann.
Und doch, so ferne er dir scheint, du trägst ihn in dir, sagte Johanna,
und hättest ohne ihn nicht eine Stunde leben können.
Ich trage ihn in mir und hätte ohne ihn nicht eine Stunde leben können.
Er hat mich ausgeatmet und wird mich wieder einatmen. Und dass
ich nicht weiss, mit welchem Namen ihn nennen, wird er mich nicht
entgelten lassen. Weiss ich ja nicht einmal wie die Gestirne, die
doch sichtbar über uns wandeln, sich mit ihren eigenen leuchtenden
Namen untereinander nennen. Und ebensowenig weiss ich, mit welchem
Namen mich die Gottheit nennt. Vielleicht wenn sie mich ruft, werde
ich ihn in meiner letzten Stunde hören, denn auch ich bin ein ungelöstes
Rätsel wie du und wir alle". (Vanadis Seite 708/709)
Freilich an ein naives Wiedersehen dort drüben glaubte sie nicht,
denn das Eingehen in das Land "dort über jenen Sternen" (K. Planck)
aus dem Land hienieden bedeutet doch eine Vervollkommnung:
"Darnach sprach sie oft mit Johanna, der einfach Gläubigen, über
die letzten Dinge. Sehnst du dich nach deinen Lieben, die geshieden
sind? fragte diese. Ich sehne mich nicht, antwortet sie. Die
irdischen Bezüge haben sich ausgelebt. Ich sehne mich einer höheren
Stufe zu, die jene schon erreicht haben müssen. Was wäre das für
eine Ordnung, die nur Hiesiges wiederholen und fortsetzen würde?"
(Vanadis Seite 705)
Warum aber der Wunsch des Wiedersehens im Menschen? Antwort: 8
Wiedersehen ist ja nur der Wunsch der Liebe, vielleicht in egoistischer
Form. Aber die Liebe selbst und ihr Reich bleibt wahrhaftig
und in alle Ewigheit: "Nun aber bleibet Glaube, Hoffnung, Liebe,
diese drei, aber die Liebe ist die grösste unter ihnen". Und in
ihr leuchtet die Ewigkeit am tiefsten in unsere oft so lichtlose,
sinnlose Welt herein: "In der Welt ists dunkel, leuchten müssen wir,
du in deiner Ecke, ich in meiner hier"-ist ein alter christlicher
Vers. Er trifft die Wirklichkeit. Unsere Isolde kleidet diese schon
früh in die Worte:
"Hilflos sieht sich im All das Ich, das sterbliche, arme
rings von Klüften umgähnt, ewig und ewig allein,
aber die Liebe findet den Weg und naht dem Verbannten
ehe den Spruch des Exils milde der Tod widerruft".
(Gedichte 1906, Seite 216)
Ist ihr die Liebe nicht auch im ganzen persönlichen Leben selbst als
treibende Kraft aus der Ewigkeit Wirklichkeit geworden? Die Liebe
zum Volk und zur Seelengemeinschaft des Volkes, zu den Freunden.
Zu all` denen, die ihre Familie und die ihr und unser Volk lieb
haben und weiterführen wollen auf dem guten Weg: Näher mein Gott zu
dir! Wie gross ist der christliche Gedanke als letzte Wirklichkeit:
Selbsthingabe als Sinndeutung des Lebens. Noch 1942 schrieb sie mir
in diesem Sinne das ihr so wichtige Gedicht ab:
DAS BIST DU.
Aus geheimstem Lebensgrunde
Raunt es mahnend immerzu:
Schlag dem andern keine Wunde,
Denn der andre - das bist du!
Wie du kränkst, so musst du kranken,
Unser ich ist Wahn und Pein.
Schliess in deiner Selbstsucht Schranken
Alles, was da atmet, ein.
(Ges.Werke I, S.297)
So war unseres Bismarck Losung: "In serviendo consumor". So war der
grosse Fritz der erste Diener des Staates. Und für unsere Soldaten
gilt: "Niemand hat grössere Liebe, denn die, dass er sein Leben lässt
für seine Freunde." Das ist ein Wort Jesu! (Joh. 15, 13)
Ja: In christlichem Sinn setzen wir alle das Reich der Liebe und der 9
Hingabe entgegen dem Reich der Sinnlosigkeit, des Egoismus und des
Hasses. "Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst". "Das
bist du". "Ein neu Gebot gebe ich euch, dass ihr euch untereinander
liebet, wie ich euch geliebt habe, auf dass auch ihr einander lieb
habet. Dabei wird jedermann erkennen, dass ihr meine Jünger seid, so
ihr Liebe untereinander habt". (Joh. 13,34/35) So viele zerreissen
und sagen jüdisch mit dem alten Testament: "Auge um Auge, Zahn um Zahn."
Christen sollen verbinden und: Christen dürfen vergeben, sagt das
Vaterunser! Aus liebelosen Weltkindern und egoistischen Ich-Menschen
will Gott uns zum Grössten helfen, daß die Liebe unter uns bleibe
und wir in der Liebe bleiben. Und die Liebe bleibt, weil Gott ist
Liebe "und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in
ihm." (1.Joh. 16) In diesem Sinne hängt Glaube, Hoffnung und Liebe
untrennlich zusammen. In diesem Sinne schliessen wir mit der "Pilgerfahrt
nach dem Unerreichlichen" (Seite 699) ...
"Unterdessen ist auch auf unserer rauhen Münchner Hochebene der späte
Frühling eingezogen mit seinen grünen und bunten Prächten. Er hat die
langen, schweren Winternachtsträume, in denen noch einmal Menschenart
ihr wirres Spiel trieb, mit allen Erinnerungsspuren hinausgefegt.
Die freigewordene Seele möchte sich wie ein junger Flieger hinaufschrauben
in das ausgespannte Ätherblau- "Näher mein Gott zu dir!"
Kaum, dass ich die Worte denke, so braust von fern her der Sterbechoral
der Titanic durch mein inneres Gehör und ich sehe das Riesenschiff
mit den verzweifelten Menschenseelen mitten in dem ungeheuren
Untergang, durch den sich doch aus Menschenwerkzeugen siegreich bis
zuletzt die Töne inbrünstigen Vertrauens heben. Das Vertrauen zu dem
Unbekannten, Unfassbaren, dem wir alle angehören. Gleichviel wie
Menschen ihn töricht streitend benennen.
Das kann nicht n i c h t sein, was so wie ein Tau die versinkende
Zeitlichkeit mit dem Ewigen verknüpft. Näher zu dir! Du hast mich
ausgeatmet, du wirst mich einatmen. Möchte dann mein letzter Atem
rein geworden sein, wie Atem der Kindheit in den deinigen zurückfliessen."
"Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunkeln Wort; dann aber
von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ichs stückweise; dann aber
werde ich erkennen, gleich wie ich erkannt bin. Nun aber bleibet
Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die grösste
unter ihnen."
A m e n.