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Auch Tankstelle auf der Liste

3.9.2009 Rottenburger Post
Interview mit Denkmalamts-Präsidenten Dieter Planck

Für die einen ist sie der blanke Horror, für die anderen der Garant lebendiger Geschichtsvermittlung: die Denkmalpflege. Dieter Planck war - zuletzt an leitender Stelle - 39 Jahre lang ihr Sachwalter.

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Was ist ein Kulturdenkmal und was nicht? Dieter Planck, scheidender Präsident des Landesamts für Denkmalpflege, berichtet aus der Praxis. Foto: Matthias Kessler
Herr Planck, was ist Denkmalpflege überhaupt?

DIETER PLANCK: Es ist die Erhaltung von Zeugnissen, die charakteristisch sind für eine bestimmte historische oder Architektur-Epoche.

Wie weit geht das?

PLANCK: Von der Altsteinzeit bis heute. Das betrifft den typischen Schwarzwaldhof, der weltweit einmalig ist, ebenso wie das Trafohäuschen oder die württembergische Fabrik, selbst wenn sie vielen als noch so hässlich erscheint.
Denkmalschutz ist also keine Frage der Schönheit?

PLANCK: Was schön ist, bestimmt der Zeitgeschmack, und der wandelt sich ständig. Als ich angefangen habe, war der Jugendstil verpönt. Heute ist es keine Frage mehr, dass er schützenswert ist.
Wovon hängt es denn dann ab, was auf die Denkmalliste kommt?

PLANCK: Es ist in der Tat schwierig zu bestimmen, was etwa aus den 60er und 70er Jahren Denkmaleigenschaft hat. Es muss charakteristisch sein für diese Zeit wie die Stuttgarter Liederhalle, die heute ebenso unter Schutz steht wie das Ulmer Münster. Oder beispielsweise die Tankstelle der Nachkriegszeit, wie in Freiburg eine erhalten ist.
Dann kann man ja im Grunde alles unter Denkmalschutz stellen.

PLANCK: Nein. Es ist völlig klar, dass nicht alles erhalten werden kann und auch nicht muss. Ein Fachwerkhaus etwa, das völlig entkernt ist, muss nicht geschützt werden - es sei denn, seine Fassade ist wichtig für das Stadtbild.
Wo sehen Sie Gefahr im Verzug?

PLANCK: Bei den Scheuern zum Beispiel. Die sind ganz charakteristisch für das Bild des Dorfes und somit Denkmäler - aber sie werden heute nicht mehr benötigt. Und jedes Denkmal, das nicht gebraucht wird, ist gefährdet. Was also tun? Abbrechen? Umbauen. Und wenn mans umbaut: Wie weit ist das möglich, damit die Eigenschaft des Kulturdenkmals erhalten bleibt?
Und dann sind da ja auch noch die Eigentümer. Was kann man denen zumuten?

PLANCK: Da sind wir bei der Frage der Finanzierbarkeit. Geld ist natürlich enorm wichtig, und es muss geprüft werden, wo die Denkmalpflege den Eigentümern durch Zuschüsse helfen kann. Der Denkmalpflege stehen derzeit jährlich 20 Millionen Euro zur Verfügung, davon 12 bis 14 Millionen für Baudenkmäler, und damit kann sie nur die Substanzerhaltung unterstützen.
Bauwerke sind ja nur ein Aufgabenbereich der Denkmalpflege.

PLANCK: Eine nicht minder wichtige Rolle spielt die Archäologie, zumal viele Bodendenkmäler zu verschwinden drohen durch den Bau von Straßen, Überlandleitungen, aber auch durch den Pflug und durch den Maisanbau, der Bodenerosion verursacht.
Wollen Sie etwa den Straßenbau oder den Maisanbau verhindern?

PLANCK: Natürlich nicht. Aber die Zeugnisse im Erdboden, die etwa über die Zeit der Kelten oder Alamannen Auskunft geben, müssen wissenschaftlich untersucht und dokumentiert werden. Zwar werden sie auch durch die archäologische Grabung zerstört, aber man weiß hinterher genau, was wann wo war.
Solche Grabungen bedeuten zwangsläufig Verzögerungen beim Bau. Was sagen da die Bauträger?

PLANCK: Wenn es gut geht, ziehen sie mit. In Ulm hat sich die Stadt an der Großgrabung Neue Straße sogar beteiligt, und in Rottenburg wird die Diözesanverwaltung die Grabung, die dem Bau der Diözesankurie vorausgeht, wesentlich finanzieren. Wir wollen auch künftig die Veranlasser an den Kosten beteiligen.
Was sagt die Öffentlichkeit dazu?

PLANCK: Freilich muss der Sinn dieser Maßnahmen der Öffentlichkeit vermittelt werden. Und das ist ein großes Problem. Denn das öffentliche Interesse an der Landesarchäologie ist spätestens seit dem Keltenfürsten von Hochdorf enorm gewachsen. Auch das Thema Weltkulturerbe hat viele Kräfte freigesetzt, ob das nun der Limes ist oder die Reichenau oder Maulbronn. Die Gemeinden und die Leute ziehen mit.
Kann die Denkmalpflege diese Fülle an Aufgaben personell schultern?

PLANCK: Wir können uns dabei auf das ehrenamtliche Engagement sowohl einzelner, zum Teil hervorragend qualifizierter Bürger als auch von Vereinen und Initiativen stützen. Ohne die kämen wir freilich nicht aus. Unsere Schmerzgrenze ist, was die personelle Ausstattung betrifft, erreicht. Weniger geht nicht, wenn gewünscht ist, dass die Denkmalpflege ihre Aufgabe künftig noch erfüllen soll.