Mitte der 50er Jahre studierte ich in
Tübingen, schrieb meine Doktor-Arbeit über das „Epitleton ornans“, das „so
genannte schmückende Beiwort“, einen „Beitrag zu einer neuhochdeutschen
Poetik“, und mein Freund Rolf Michaelis promovierte über das „Enjambement bei
Hölderlin“, den „Zeilensprung“ in Hölderlins Oden und Vaterländischen Gesängen
– so war das damals. 1957 durfte ich mir ein Zubrot dadurch verdienen, dass ich
in Rottenburg am Neckar (einer katholischen Bischofsstadt mitten im
protestantischen, ja, pietistischen Württemberg) Deutsch und Latein
unterrichtete: am dortigen Progymnasium.
Als ich einmal als Student am
Abend und in der Nacht viel „gefeiert“ hatte, wie man das nannte, Bier und Wein
und „hoch die Tassen“, und am Morgen um 6 Uhr 15 in die Lokalbahn von Tübingen
nach Rottenburg stieg (das rund 20 Kilometer von Tübingen entfernt war und etwa
30 000 Seelen sowie einen Bischof beherbergte), da brummte mir der Kopf, und
ich saß neben einem jungen glatzköpfigen Studienrat [wohl Scholl h während
der Fahrt mit der württemberg-hohenzollerschen Lokalbahn unterhielt.
„Mein Gott, was mache ich heute im Deutschunterricht!“, jammerte ich und der
Studienrat, der wusste, dass ich nicht sonderlich vorbereitet war, sagte,
hintergründig lächelnd: „Sie kennen doch das Toleranzgebot des
Deutschunterrichts! Lesen und lesen lassen!“
Latein war leichter, denn
ich hatte nur die Unterstufe der katholischen Internatsschüler, die dem
Progymnasium eingegliedert waren, zu unterrichten. Die Sätze waren einfach:
„Agricola arat“ (Der Bauer pflügt). „Gallus cantat“ (Der Hahn kräht) und!
„Elephantus magnus est“. Ja, der Elefant (der sich damals noch mit „ph“
schrieb), Deutsch wie Latein, war groß. Vor wenigen Jahren habe ich gehört,
dass der Weihbischof von Rottenburg mein Schüler war, ja, und bei mir gelernt
hat, dass der Elefant groß ist – Elephantus magnus est. Und dass alle Hähne
krähen! „Galli cantant!“
In „Brehms Thierleben“, dem dritten Band der
„kolorirten Ausgabe“ von 1883, die Gott sei Dank noch keine Fotos von Tieren
zeigt (oder muss man „Thieren“ sagen?), sondern die unvergleichlichen
Farbtafeln von Gustav Mützel, Ludwig Beckmann, W. Camphausen und Robert
Kretschmer, die an die herrlichen naiven Gemälde von Rousseau erinnern, in
„Brehms Thierleben“ kommt der Elefant unter den „Vielhufern“ vor („Zwölfte
Ordnung“) und ist, neben den „Rüsselthieren“ oder den „Tapiren“ und
Flusspferden eine „einzige Sippe“. Es gibt den indischen (indicus) und den
afrikanischen (africanus) Elefanten, beide ganz schön „magnus“, Riesen und
Dickhäuter. Der Elefant ist, laut Brehm, ein „plumpes, vierschrötiges Thier mit
massigen breitstirnigem Haupt, kurzem Hals, gewaltigem Leib und säulenartigen
Beinen“. Der Elefant ist „nur scheinbar plump, in Wirklichkeit sehr geschickt“.
„Scharfer überlegener Verstand läßt sich nicht verkennen.“ „Wie Heuglin
mittheilt“, schreibt Brehm, „erkennen alle Neger den hohen Verstand des Thieres
willig an.“ Und: „Eine Maus entsetzt den zahmen Elefanten, dass der zittert.“
Seine Intelligenz und sein Gedächtnis – er vergisst und verzeiht
nichts – sowie seine dickfellige Geduld haben ihn zum Vergleichstier gemacht.
Deutschlands erfolgreichster Außenminister, Hans Dietrich Genscher, wurde mit
einem Elefanten verglichen, aber hauptsächlich wohl wegen der Ohren. Und Helmut
Kohl, der längste und nach Adenauer erfolgreichste deutsche Kanzler
(Wiedervereinigung). Wohl wegen seiner massigen Statur und eines nachtragenden
Gedächtnisses: „Elephantus magnus est.“
Der Elefant ernährt sich
dadurch, dass er sich geschickt mit seinem Rüssel Äste und Zweige in den
dünnlippigen Mund schiebt. Vor Jahren also sitze ich in Berlin, im Hotel
„Kempinski“, in der Bar, es ist nach elf und eine Gruppe deutscher und
englischer Geschäftsleute ist gerade zum gemütlichen Teil (oder soll ich sagen:
Theil?) übergegangen. Und ein Deutscher will seinen britischen Freunden zur
Krönung und als Abschluss des Abends einen Witz erzählen. Von einem Elefanten,
der am Strand einen nackten Mann sieht, ihn betrachtet und sagt: „Armer Kerl,
wie kannst du je satt werden?“ Wie gesagt, Elefanten ernähren sich mittels
Rüssel.
Der Mann erzählt den Witz, aber erst weiß er nicht, was Rüssel
auf Englisch heißt. Und dann fragt er die Frau, „sag mal, was heißt ,satt' auf
Englisch.“ Sie zuckt die Achsel. Also erzählt er, wie der Elefant mit seinem
langen Rüssel, „you know, this long thing in the face, a long nose, a kind of a
snake“. Der Mann sagt: „Poor fellow, how could you get“, er unterbricht sich,
„you know, if you are not hungry, you are...“ Der Engländer sagt: „Thirsty.“
„No, no, no!“ sagte der Deutsche. „Fed up, ja, das ist es! Fed up!“ Die
Engländer schauen verlegen drein und gehen bald darauf ins Bett. Die Deutschen
bleiben sitzen. Und da höre ich den Witzerzähler zu der Frau sagen: „Das ist
das Problem! Die haben eben einen völlig anderen Humor, die Engländer. Sense of
humour, verstehste!“