Pfarrerin Angelika Volkmann

Ansprache bei der Trauerfeier
für
Brigitte Mohr
13.01.1941 – 08.03.2018
am 15.03.2018 um 14 Uhr
in der Dietrich-Bonhoeffer-Kirche Tübingen


Lieber Joachim Mohr, lieber Thomas Mohr,
liebe Angehörige, liebe Trauergemeinde,

am Ende ist es ganz schnell gegangen und nun sind wir hier im Trauergottesdienst um Brigitte Mohr. Wie oft hat sie in dieser Kirche mit uns Gottesdienst gefeiert, wie oft hat sie im Chor gesungen, wie oft sich um unsere Gemeindebücherei gekümmert, noch beim letzten Bücherbasar geholfen – mitsamt Chemo. Vorbildlich hat sie sich auf ihr Sterben vorbereitet hat alles aufgeräumt, geregelt, Kontakte geplant. Vieles, was wir heute tun, hat sie so entschieden: dass wir uns in unserer Kirche treffen und nicht auf dem Friedhof; dass wir hier zusammen sind ohne ihren Sarg oder die Urne, die später in Fischbach, wo ihr Sohn wohnt, beigesetzt werden wird; Lieder und Bibelworte hat sie ausgewählt. Sie wollte gar nicht, dass die Trauer so sehr im Vordergrund steht bei dieser Feier, sondern viel mehr die Dankbarkeit für das erfüllte Leben, dass sie hatte, auch wenn es kürzer war als erhofft.

Als im Januar 2016 die Diagnose gestellt wurde, war es für sie ein Schock, für Sie beide, lieber Herr Mohr. Doch Ihre Frau war entschieden, das Beste aus ihrer Zeit zumachen. So waren es noch zwei gute Jahre, die ersten Therapien wirkten gut. Zwei Mal konnten Sie noch im Gebirge Urlaub machen, in Garmisch- Patenkirchen und in Nesselwang im Allgäu, bevor sich der Gesundheitszustand im Februar dramatisch verschlechterte. Doch auch jetzt blieb Ihre Frau tapfer, sagte klar, was sie wollte, machte es ihrem Umfeld leicht. Als Bibelwort für die Trauerfeier hat sie den bekannten Vers aus Psalm 23,4 ausgesucht:

Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal, fürchte ich kein Unglück, denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich.


Ein Wort, dessen Trost sie schon oftmals erfahren hatte, musste sie doch schon früh in ihrem Leben und auch öfter als nur einmal den Tod nächster Mitmenschen hinnehmen.

Brigitte Mohr, geb. Lauffer, ist am 13. Januar 1941 in Pforzheim als älteste Tochter des Landrates, späteren Verwaltungsrichters Ernst Lauffer und seiner Ehefrau Christl geboren. Zwei Jahre später kam ihre Schwester Christa zur Welt. 1946 zog die Familie nach Reutlingen um, wo ihr Vater eine Zeit lang in der Kirchenpflege tätig war. In Tübingen grassierte 1950 eine Kinderlähmungsepidemie, an der ihre Mutter erkrankte und starb. Da war Brigitte neun Jahre alt. Ihr Vater kümmerte sich darum, dass Brigitte gemeinsam mit ihrer Schwester Christa als Pflegekind bei einer Pfarrerswitwe in Reutlingen aufwuchs; später als Pflegekind bei einer Pfarrerswitwe mit zwei Kindern in Tübingen bis zum Abitur. Ihrem Wesen nach war Brigitte Mohr ein „Pfarrerskind“ und hat sich auch selbst gelegentlich so bezeichnet. Annegret und Lotte Vogt sind ihr seit damals fast wie Geschwister freundschaftlich verbunden. Und auch ihre beste Freundin Ingeborg Elliger kannte sie von der gemeinsamen Grundschulzeit und sie war auch durch die gesamte Gymnasialzeit ihre Klassenkameradin bis zum Abitur, später wohnten sie eine Zeit lang zusammen. Viele Freundschaften knüpfte sie auch durch kirchliche Jugendfreizeiten, an denen die sie gerne teilnahm.

Nach dem Abitur 1959 arbeitete sie ein halbes Jahr in einem Haushalt, ein weiteres halbes Jahr besuchte sie die Frauenarbeitsschule, danach machte sie ein zweijähriges Praktikum in einer Apotheke und ein halbes Jahr Praktikum in der Kinderklinik Tübingen. Ihr Vater wünschte sich, dass sie Pharmazie studierte, doch sie konnte es sich nicht vorstellen, ein Leben lang im Geschäft zu stehen und entschied anders. Von 1962-64 machte sie die Ausbildung zur medizinisch- technischen Assistentin. Von 1964 bis 1965 war sie im pathologischen Institut in Tübingen tätig, von 1965 bis 1969 im „Tropenheim“, wie die Paul-Lechler-Klinik damals genannt wurde. Schon damals sang sie gerne im Chor, und zwar in der Stiftskirche, gemeinsam mit Ingeborg Elliger und deren Freund, dem damaligen Studenten Klaus Mohr, der Latein und Geschichte studierte, dem Zwillingsbruder von Ihnen, lieber Herr Mohr. Sie haben damals gerade zwei Jahre in Hamburg studiert, doch als sie wieder nach Tübingen zurückkehrten, gingen sie zwar nicht mehr in den früher auch von Ihnen besuchten Stiftskirchenchor, aber sehr gerne zum anschließenden geselligen Zusammensein im Stammlokal. So haben Sie beide sich kennen gelernt und waren sich einig: es hätte Ihnen nichts Besseres passieren können. 1969 haben Sie geheiratet, Sie, lieber Herr Mohr arbeiteten als Assistent am Mathematischen Institut in Karlsruhe, Ihre Frau bei einer Ärztin in Karlsruhe. 1971 ist zu Ihrer beider großen Freude Ihr Sohn Thomas geboren. 1976 sind Sie nach Rottenburg gezogen, wo Sie 30 Jahre lang als Lehrer für Mathematik, Physik und Informatik gearbeitet haben am Eugen-Bolz-Gymnasium und am Paul-Klee-Gymnasium.

Mit Ihrem Zwillingsbruder und der besten Freundin Ihrer Frau waren sie als zwei Paare all die Jahre eng verbunden, haben viel miteinander gemacht, auch mit den Kindern. Der Tod von Ingeborg vor 24 Jahren, auch an Krebs, traf Sie beide sehr.

In den Rottenburger Jahren übernahm Ihre Frau kleine Teilzeitarbeiten im Pfarramt, später in der Bücherei der Forstfachhochschule, ehrenamtlich war sie in der St. Moritz-Bücherei und vor allem im Weltladen tätig und immer hat sie im Chor gesungen.

Mit Ihrem Ruhestand im Jahr 2006 sind sie in den Ahornweg nach Tübingen gezogen und haben dort - bis zum Zeitpunkt der Diagnose - zehn wundervolle Jahre erlebt mit einer sehr guten Hausgemeinschaft, in der enge Freundschaften gewachsen sind, mit einer Kirchengemeinde, in der Sie sich wohlfühlten und auch beide wieder einbrachten in Chor, Gemeindebücherei und Sie als Webmaster.

Ihre Frau traf im Wohngebiet auf ganz alte und neue Freundinnen und pflegte diese Kontakte sehr. Ihr Sohn gründete eine Familie und Sie freuten sich über die Enkel Noah und ganz besonders über Jonathan. Zwei Mal jährlich nahm Ihre Frau an Singefreizeiten im Kloster Kirchberg teil, wo sie auch viele freundschaftliche Kontakte pflegte. Traurig war, dass Christa, die Schwester Ihrer Frau, vor zehn Jahren an Krebs gestorben ist.

Brigitte Mohr war ein fröhlicher und zufriedener Mensch, sehr dankbar für das, was ihr in ihrem Leben möglich war, was sie empfangen konnte, dankbar für die geschenkte Zeit. Sie wusste immer, was sie will und hat das auch geäußert. Sie war sehr kommunikationsfreundlich. Sie hat sich auf ihr Sterben vorbereitet; Sie, lieber Herr Mohr, haben ihr den Rahmen dafür gegeben, sie waren sich einig darin, haben miteinander vorgesorgt für die Zeit jetzt. Überhaupt waren Sie sich in vielem einig in all den Jahren, auch darin, in Tübingen ohne Auto auszukommen.

An einem sehr schönen Sonnentag im Februar, - war es Aschermittwoch? - als Ihr Enkel Jonathan zu Besuch kam, waren Sie noch gemeinsam einige Stunden draußen, auf dem Spielplatz bei den Römergräbern – zum letzten Mal war das möglich. Ein kostbarer gemeinsamer Tag, der für Sie unvergesslich bleiben wird. In der Zeit danach bis zu ihrem Tod am 8. März wurde Brigitte Mohr vom Tübinger Projekt betreut und fühlt sich dort bestens aufgehoben. Die letzten Tage verbrachte sie mit guten Träumen in ihrem „Tropenheim.“

Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal,
fürchte ich kein Unglück,
denn du bist bei mir,
dein Stecken und Stab trösten mich.


Jedes Leben führt auch durch finstere Täler. Dabei ist es entscheidend, ob jemand da ist. Moderne Erkenntnisse bestätigen die Weisheit dieses alten Gebetes: auch Kinder können schwere Situationen verkraften, können Schicksalsschläge bewältigen, wenn nur jemand da ist, der sie sieht, tröstet, ihnen beisteht. Das hat Brigitte Mohr erlebt.

Auch unser eigener Tod ist so ein finsteres Tal. Der gute Hirte, der selber sein Leben hingibt, damit andere gerettet werden, ist der treue Begleiter in diesem Tal. Er hat dem Tod die Macht genommen durch seine Liebe. Gott hat ihn auferweckt am dritten Tag. In diesem Glauben wusste sich Brigitte Mohr getragen. Nichts kann uns von Gott trennen und von dem Ort, an dem er uns haben will, wie Gott schon vor langer Zeit gesagt hat:

Siehe, ich sende einen Engel vor dir her, der dich behüte auf dem Wege und bringe an den Ort, den ich bereitet habe. (2.Mose 23,20)

So sind wir traurig, ja das sind wir auch, aber auch getröstet, wenn wir von ihr Abschied nehmen, und vor allem: sehr dankbar. So ist es in ihrem Sinne.

Amen.

br