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Deutscher Gottesdienst in Canoas bei Porto Alegre/Brasilien

Pfarrer Arteno Spellmeier

Römer 8.18-24 Predigt Canoas-Barreto 28.09.2008


Liebe Schwestern und liebe Brüder! Liebe Gemeinde!

Vorstellung: Zuletzt war ich vom Mai 1992 bis Mai 2008 Koordinator des Indianermissionsrates COMIN, mit Sitz in Sαo Leopoldo.

Als Koordinator vom Indianermissionsrates COMIN habe ich die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der verschiedenen Arbeitsgebieten in Südbrasilien und in Amazonien regelmässig besucht. Während einer dieser Besuchsreisen im Süden des Bundestaates Amazonas bin ich mit einem Mitglied des indigenen Volkes der Kulina ins Gespräch gekommen und habe ihn gefragt, wie die Kulina sich das Leben nach dem Tod vorstellen.

Er antwortete: "Wir stellen es uns so vor, dass wir als Wildschweine wiedergeboren werden".

Im Stillen dachte ich mir: "Keine gute Zukunftsperspektive. Da haben wir es als Christen etwas besser: Wir glauben nämlich, dass wir in der Ewigkeit bei Christus und seinen Engeln sein werden und nicht als Futter für andere dienen müssen."

Daraufhin fragte ich ihn: "Warum sie glauben, dass sie gerade als Wildschweine und nicht als Panther zum Beispiel wieder auf die Welt kommen werden."

Er antwortete mir ganz einfach: "Wissen Sie, unsere Kinder und Enkelkinder wollen auch leben und sie brauchen Nahrung".

Ich schämte mich meiner Arroganz wegen.

Ich habe mich fast zu Tode geschämt, weil wir in unserem Glauben so egoistisch sind: unser Auferstehungsglauben bezieht sich immer nur auf uns selbst.

Jesus und seine Jünger sind jedoch nicht für sich gestorben und auch nicht zum eigenen Vorteil auferstanden, sondern für Gott, für seine Schöpfung und seine Geschöpfe.

Ich schämte mich, weil wir Christen im Laufe der Zeit den ursprünglichen Auferstehungssinn aufgegeben. Wir haben den Spiess umgedreht: wir sterben und werden auferweckt nicht mehr für Gott und seine Schöpfung, sondern wir sterben und stehen auf für uns selbst, damit wir einfach im eigenen Interesse in aller Ewigkeit weiterleben können.

Mir wurde auch plötzlich bewusst, dass wir Christen die Schöpfung und die Zusage der Auferstehung auseinanderreissen und dass das Folgen hat:
  1. Wenn Schöpfung und Auferstehung nichts mehr miteinander zu tun haben, dann können wir ohne Gewissensbisse die Schöpfung behandeln, als ob sie der letzte Dreck wäre, denn sie ist ja nur vergänglich und wir gehören schon der Ewigkeit an.


  2. Demzufolge nehmen wir uns die Freiheit mit der Schöpfung Gottes wie Heuschrecken umzugehen, die alles auffressen und zerstören.
Ob das im Sinne des Evangeliums und des Paulus ist?

Ich will Ihnen noch einmal aus dem 8. Kapitel des Römerbriefes die Verse 18 bis 24 vorlesen. In ihm thematisiert der Apostel Paulus die Bedeutung der Schöpfung Gottes und der Hoffnung auf Auferstehung.

Denn ich halte es dafür, daß dieser Zeit Leiden der Herrlichkeit nicht wert sei, die an uns soll offenbart werden.

Denn das ängstliche Harren der Kreatur wartet auf die Offenbarung der Kinder Gottes.

Sintemal die Kreatur unterworfen ist der Eitelkeit ohne ihren Willen, sondern um deswillen, der sie unterworfen hat, auf Hoffnung.

Denn auch die Kreatur wird frei werden vom Dienst des vergänglichen Wesens zu der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes.

Denn wir wissen, daß alle Kreatur sehnt sich mit uns und ängstet sich noch immerdar.

Nicht allein aber sie, sondern auch wir selbst, die wir haben des Geistes Erstlinge, sehnen uns auch bei uns selbst nach der Kindschaft und warten auf unsers Leibes Erlösung.

Denn wir sind wohl selig, doch in der Hoffnung. Die Hoffnung aber, die man sieht, ist nicht Hoffnung; denn wie kann man des hoffen, das man sieht?


Die Gemeinde in Rom, an die dieser Brief gerichtet ist, hatte Probleme mit dem Schwärmertum, d.h., mit Gemeindemitgliedern, die glaubten, das Reich Gottes, das ewige Leben, die endgültige Verbundenheit mit Gott vorwegnehmen und die hiesige Welt und das irdische Leben, mit seinen Widersprüchen, seiner Stückhaftigkeit und Vergänglichkeit aufgeben und verachten zu können.

Paulus schreibt ihnen: die Widersprüchen, die Stückhaftigkeit und Vergänglichkeit dieser Schöpfung ist von Gott gewollt. Die Erlösung, die Freiheit der Kinder Gottes und der gesamten Schöpfung kommt noch, wir haben sie nur in Hoffnung. Für Paulus ist die von Christus gewonnene Auferstehung so wie eine zweite Schöpfung Gottes, die eng mit der ersten Schöpfung verbunden ist. Es gibt keine Auferstehung, keine zweite Schöpfung ohne die erste Schöpfung.

Die Schwärmer aus der Zeit von Paulus und von heute wollen die Ewigkeit und die Erlösung, die uns zugesagt sind, einfach vorwegnehmen und die Welt, die Schöpfung Gottes sich selbst überlassen. Sie lösen die Spannung zwischen der ersten und der zweiten Schöpfung so auf, dass sie die erste Schöpfung aufgeben und verneinen. Das Endergebnis ist ein flacher Spiritualismus, der nur noch im Dienste der eigenen Frömmigkeit steht .

Zum anderen, lösen viele Menschen (auch Christen) der Gegenwart die Spannung zwischen der ersten und zweiten Schöpfung so auf, dass sie die zweite Schöpfung einfach verleugnen. Sie glauben nicht, dass es eine Auferstehung und eine zweite Schöpfung geben wird. Die Folgen dieser Haltung sind:
  1. Wenn es keine Hoffnung auf Auferstehung, auf eine zweite Schöpfung gibt, muss man das Leben bis zum Umfallen geniessen; danach gibt es sowieso nichts mehr;
  2. Demzufolge kann man sich die Freiheit nehmen mit der Schöpfung Gottes wie Heuschrecken umzugehen, die alles auffressen und zerstören.
Das Endergebnis der Preisgabe und Verneinung der zweiten Schöpfung ist ein flacher Materialismus, der nur noch im Konsumismus Lebenssinn findet.

Glauben wir wirklich, dass Gott uns mit offenen Armen in seiner zweiten Schöpfung aufnehmen wird, nachdem wir die erste Schöpfung wie Heuschrecken zerstört haben? Das müsste schon ein eigenartiger Gott sein...

Unser Einsatz für gefährdetes Leben, für Gerechtigkeit, Umwelt und Bewahrung der Schöpfung hat mit dem Glauben an die Auferstehung, mit der Hoffnung auf einer zweiten Schöpfung Gottes zu tun.

Wir leben in der Spannung zwischen der ersten und der zweiten Schöpfung.

Wir leben in der Spannung zwischen der Hoffnung des Paulus „Denn wir sind zwar gerettet, doch auf Hoffnung" (Römer 8.24) und der Hoffnung von Jochen Klepper „Nichts ist, was nicht in deine Hände am ersten Tag beschlosen war, und leben wir vom Ursprung her, bedrückt uns keine Zukunft mehr" (aus dem Lied „Der Herr ist nah").

Vor Jahren, habe ich mein Gespräch mit dem Mitglied des Kulina-Volkes im Süden vom Amazonas in einer deutschsprachigen Seniorengruppe erzählt.

Als wir es uns nach dem Vortrag bei einer Tasse Kaffee gemütlich gemacht haben, hat eine der Senioren gemeint: "Pfarrer, es ist ja schön, was sie da erzählt haben, aber ich würde gerne weiterhin an die Auferstehung glauben, wie ich es bisher getan habe."

Bevor ich antworten konnte, hat ihre Nachbarin zu ihr gesagt: "Ach, Lydia, das sollst du ja. Der Pfarrer hat nur gemeint, dass wir in unserem Glauben auch an unseren Enkelkindern und an alles was Gott uns gegeben hat, denken sollen. Er liebt uns nicht gegen seine Schöpfung, sondern für seine Schöpfung."

Sie hatte Recht. Amen!

Der Herr ist nah - "Die Menschenjahre dieser Erde" (M: EG 330)

Die Menschenjahre dieser Erde
sind alle nur ein tiefes Bild,
das uns dein heiliges >Es werde!<
am Anfang aller Zeit enthüllt.
Allein in diesem Schöpfungswort
besteht, was Menschen tun, noch fort.

Wir wissen nicht den Sinn, das Ende.
Doch der Beginn ist offenbar.
Nichts ist, was nicht in deine Hände
am ersten Tag beschlossen war,
und leben wir vom Ursprung her,
bedrückt uns keine Zukunft mehr.

In allen Ängsten unseres Handelns
siegt immer noch dein ewiger Plan.
In allen Wirren unseres Wandelns
ziehst du noch immer deine Bahn.
Und was wir leiden, was wir tun:
Wir können nichts als in dir ruhn.

Hast du uns Haus und Gut gegeben,
hast du uns arm und leer gemacht -,
das milde und das harte Leben,
sind beide, Herr, von dir bedacht.
Was du uns nimmst, was du uns schenkst,
verkündet uns, daß du uns lenkst.

Du läßt den einen durch Geschlechter
von Kind zu Kindeskind bestehn.
Den andern läßt du wie durch Wächter
von allem abgetrennt vergehn.
Durch Fülle und durch Einsamkeit
machst du uns nur für dich bereit.

Auf Feldern, die sich fruchtbar wiegen,
in kargem Halm auf armem Sand
muß doch der gleiche Segen liegen:
Du sätest sie mit deiner Hand.
Und was du schickst, ob Glück, ob Angst,
zeigt stets, wie du nach uns verlangst.

Der Lebensbaum im Garten Eden,
der Dombusch, der dich glühend sah,
sind beide nur das eine Reden:
Der Herr ist unablässig nah.
Und alles, was der Mensch vollbringt,
ist Antwort, die dein Ruf erzwingt.