(c) H. Mohr de Sylva. Veröffentlicht in: Tübinger Blätter 1960 47. Jahrgang
HEINRICH MOHR DE SYLVA
1. Friedrich Silcher, Tübingen und die Welt
Gedanken zu des Meisters 100. Todestag 26. 8.1960
Was ist die "Welt?
Die 'Welt ist "anfange" ein Dorf! In diesen Wochen erhielt ich völlig
überraschend, obwohl ich nie in USA war, aus Chikago ein 80 Seiten starkes
Heft zugesandt. "Festprogramm für das 83. Cannstatter Volksfest in Chikago,
veranstaltet vom Schwaben-Verein Chikago am 20. und 21. August 1960" mit einem
mit 8 Bildern versehenen Aufsatz, Seite 15-23 über Friedrich Silcher von
George J. Iberle, der dort eine autorisierte Schiffs- und Luftfahrtagentur
betreibt und beim Silcherfest des Uhlandgaues des Deutschen Sängerbundes am
11. und 12. Juni hier war und seine Aufnahmen machte: den Fahnenwald auf dem
Marktplatz, Gauvorstand Rein bei der Kranzniederlegung am Grabe, Chorleiter
Bezner und ich als Großneffe am Grabe, das Silcherdenkmal in der
Platanenallee, das Silcher-Museum in Schnait usw. So wichtig ist ihnen drüben
unser Silcher. Zu gleicher Zeit teilt mir Professor Fritz Jöde aus Hamburg
mit, daß er in der Edition intermusica, Verlag Möseler und Hohner , ein
Heft herausgebe "Begegnung mit Silcher" und daß er in 2 Heften der
"Zeitschrift für Musik von Volk zu Volk Pro musica" über Friedrich Silcher
und seine internationale Bedeutung berichte. Zwei Zeichen für "Friedrich
Silcher und die Welt". Vorbereitet hat sich diese Entwicklung nicht nur durch
das Näherrücken der Kontinente, sondern durch das, was bei Silchers Lebzeiten
sich schon angebahnt hat.
Schon damals flogen die "Silcherlieder", d. h. sowohl seine eigenen
Kompositionen als auch seine von ihm gesammelten und gesetzten Volkslieder von
Mund zu Mund weiter von Tübingen aus ins Schwabenland, in alle deutschen Gaue,
bis an den englischen Hof und hinüber in die Neue Welt und in andere Erdteile,
wo immer die deutsche Zunge klingt, ja sie wurden z. B. in England ohne sein
Wissen und seine Erlaubnis ins Englische übersetzt und nachgedruckt. Es ist
nicht Zufall, sondern innerste Notwendigkeit, daß z. B. die großen
Männergesangvereine in Köln und Wien, in London, in Brooklyn und Philadelphia
und Chikago die Herzen der Mitwirkenden und der Tausende von Zuhörern zum
Klingen brachten und zu großer Begeisterung gerade mit den einfachsten
Volksliedern des einfachen Mannes aus dem Volke:
"Jetzt gang i ans Brünnele",
"Ich weiß nicht, was soll es bedeuten",
"Rosmarin und Salbeiblättchen" usw.
Das war nicht nur vor 100 Jahren ein großes und überraschendes Erleben
des Meisters selbst, das wiederholt sich genau so bis in unsere Tage, da man
meint, dieses Volkslied sei erstorben in der Zeit der Massenschlager und
Jazzbands und des starken prosaischen Kampfes ums Dasein. Noch beim letzten
großen Deutschen Sängerfest in Stuttgart 1956 mit 100 000 Sängern waren die
Silcherlieder, von allen Gauen und Ländern gesungen, ein anerkannter
Höhepunkt und tief innerste Freude. Man lese die Zeitungsberichte, man frage
die Teilnehmer! Ebenso erlebten wir es in Württemberg heuer 1960 bei den
Liederfesten im Silcherjahr - mit "Wirkung bis Chikago".
Endlich hat der Schwabe Silcher selbst wegweisend den Blick über die
Grenzpfähle nicht nur Schwabens, sondern auch Deutschlands hinausgehoben. Er
hat, wesentlich angeregt von seinem ihm durch die Familie Mohr verwandten
Vetter Hermann Kurz nicht nur ähnlich wie Herder und Uhland "Die Stimmen der
Völker" als Texte gesammelt, sondern hat auch sich um ihre Weisen bemüht, -
wohl der erste in Europa in damaliger Zeit, während heute endlich viele
Musikwissenschaftler und viele praktische Musiker auf diesem Gebiet tätig
sind. 64 ausländische Weisen, eine für damals unerreichte Zahl, kamen so
unter das Volk und die Völker, schon in einer Zeit, wo noch nicht so
selbstverständlich von der Notwendigkeit europäischer und westlicher
Zusammenarbeit, von gemeinsamer Kultur und Geschichte Europas, vom
Bewußtwerden des Gleichklangs der Kräfte usw. gesprochen wurde. Und wer weiß
heute noch z. B., daß der Text zur Silcherkomposition von "Es geht bei
gedämpfter Trommel Klang" vom dänischen Märchendichter H. C. Andersen
über Ad. von Chamisso stammt, der Text zu "Komm, o Tod" aus Shakespeare
durch Hermannn Kurz? Wer weiß, daß "Nun schläft der Sänger" eine
schottische Melodie ist, "Des Sommers letzte Rose" eine irische Melodie ist,
beide von Hermann Kurz übersetzt (letzteres von Silcher 1835 gedruckt, dann in
Flotows Oper Martha 1847 verwendet). Wer weiß, daß Silcher so insgesamt 64
"Stimmen der Völker in Liedern und Weisen" und "Ausländische Volksmelodien"
ausgeschickt hat, davon 23 von Hermann Kurz übersetzte und ihm gelieferte? Wer
kennt seine Lieder aus der Frithjof-Saga u. a. m.? Für uns in Deutschland sind
manche dieser internationalen Lieder durch Silcher schon zum heimatlichen
Volksgut geworden, so sehr, daß wir ihren fremden Ursprung gar nicht mehr
bewußt empfinden. Das war fürwahr eine wirklich bedeutungsvolle unpolitische
politische Tat des Meisters.
2. Grundsätzliches
Ist unsere Oberschrift nicht trotzdem unbescheiden? Was hat der einstige
Volksschullehrer aus dem schwäbischen Remstal und spätere Musikdirektor in
Tübingen noch zu bedeuten für eine Menschenwelt, die jetzt im Umbruch der
großen zweitausendjährigen Zeitalter aus dem Sternbild der Fische in das
Zeichen des Wassermanns begriffen nach den Gestirnen greift und mitleidlos klar
alle Sentimentalität abzustreifen beginnt? Wir heutigen Menschen könne diese
Frage sicherlich nicht entscheiden bei unsern beschränkten kümmerlichen
Aspekten. Und doch scheint mir, daß, wenn und solange es Menschen gibt, die
Menschheit im Fühlen, Denken und Wollen sich zwar verändert, aber doch nach
Leib, Seele und Geist stets eine konstante Veranlagung ("Entelechie") hat, die
nicht abgebrochen werden kann. Zu dieser Natur des Menschen gehört unter
anderem auch die Musik, von der wir ihrem Wesen nach, weil stets lebendig im
Fluß, ihre Geschichte nicht so kennen wie von der bildenden Kunst mit ihren
gewaltigen zehntausendjährigen Zeugnissen etwa der Pyrenäischen Höhlenbilder
und der Elfenbeintiere aus der Heidenheimer Gegend, vor denen wir im Tübinger
Schloßmuseum erschauernd und ehrfürchtig stille stehen. Aber die klaren Töne
und Harmonien und die klaren Rhythmen der Musik, die uns schöpfungsmäßig
geschenkt und in Europa bis heute zur Blüte und reifen Frucht gebracht sind,
dürften doch der menschlichen Natur gemäß bleibend zu den Gütern gehören,
von denen schon ein Apostel Paulus schreibt (Phil. 4): "Was lieblich, was wohl
lautet, dem denket nach!" Ist doch, rein biologisch-physiologisch betrachtet,
die Schnecke unseres Ohres so angelegt, daß das Gesetz der Obertöne und damit
des Dreiklangs uns wohltut, daß die Konsonanzen der alten skandinavischen
Luren vor 3000 Jahren wie unserer heutigen Waldhörner und unserer alten und
heutigen schlichten Lieder des Volks mit Terzen und Sexten, Oktaven und Quinten
unvergängliche, wohltuende "Werte bedeuten werden, auch wenn die Gegenwart
weithin zwar "musikalisch" gut, aber medizinisch betrachtet wehtuend
komponiert. Ohne mich in Auseinandersetzung etwa mit dem jetzt berühmten
Professor Adorno oder dem Komponisten Rolf Stockhausen einzulassen, glaube ich
doch, daß unser Meister Silcher und sein Werk unsterblich bleiben werden, weil
natürlich. Dazu tritt die selbstverständliche Einordnung Friedrich Silchers
in die gegebenen Lebenskreise, die gerade in der wahren Musik so wichtig sind.
Goethe sagt in den Maximen und Reflexionen über Kunst: "Die Heiligkeit der
Kirchenmusik, das Heitere. . . der Volksmelodien sind die beiden Angeln, um die
sich die wahre Musik dreht." Damit sind die beiden Bereiche der Musik
aufgewiesen, in der nicht Musik um ihrer selbst willen lebt (l'art pour l'art),
sondern wo die Musik als lebenswichtig zur Gestaltung des Lebens als solchem
gehört: einerseits auf die Glaubensgemeinschaft, andrerseits auf die
Volksgemeinschaft.
3. Pädagogisches
Bei meinen Forschungen der letzten Monate über meinen Großonkel Friedrich
Silcher ist mir eines neu geworden: Die ungeheure wirklich pädagogische
Begabung und Leistung des Tübinger Universitätsmusikdirektors. Nicht
vergeblich ist sein glühend ersehnter Besuch bei Pestalozzi in Yverdon
gewesen, den er mit seinem Stuttgarter Schüler, dem reichen Bankierssohn
Jukius Benedict (geb. 1908 in Stuttgart, gest. 1885 in London als Kapellmeister
und Komponist) von Stuttgart aus machen durfte. Begeistert durch Anregungen
blieb ihm dieser Besuch, wie auch ein vorausgehender Besuch einer
Pestalozzischen Musterschule in Frankfurt am Main, nicht nur eine kostbare und
gern erzählte Erinnerung, sondern auch ein lebenslanger Auftrieb. Riesiges hat
der Mann geleistet, und es ist richtig, wie Hans Joachim Moser schreibt: "Erst
schlechtere Nachahmung (scilicet seiner schlichten Meisterwerke) verdienen den
Vorwurf sentimentaler Silcherei." Aber er wollte nie die Sterne vom Himmel
herunterschlagen, er wollte nie über andere sich erheben, und seine Art den
anderen Leuten "aufmutzen" (Luther). Er wollte zufrieden sein mit dem ihm
Gegebenen, d. h. mit dem Menschenmaterial seines Jahrhunderts und seines
Stammes ebenso wie mit den von den heutigen Musikintellektualisten wie von den
Neutönern so vielfach mißachteten und mißhandelten
physiologisch-biologisch-medizinischen Gegebenheiten des menschlichen Ohres mit
seiner Ansprechbarkeit auf reine Tone und auf gute Obertöne und die daraus
resultierenden Dreiklänge. Er wollte nie etwas auf schnellstem Wege erzwingen,
er ging vielmehr natürlich und wachstümlich von einem zum anderen weiter wie
in seiner eigenen Entwicklung, so auch in seinen Forderungen und Zielsetzungen
für seine Kreise, für die Schüler, für die Studenten, für die Kirche, für
das Volk. Und wenn eine Forderung sich als zu hoch herausstellte wie diejenige,
daß das Kirchenvolk im Gottesdienst vierstimmig singen sollte - ein Ziel aus
der Schweiz übernommen - so sah hernach unser Meister in der Praxis die
Unmöglichkeit des so schön erschienenen jugendlichen Ideals und scheute sich
nicht, seinen Irrtum öffentlich zu bekennen. Wenngleich das Studium seines
Lebens und seiner Werke ihn als hervorragenden Musikwissenschaftler und Kenner
der Musik von Palestrina bis Richard Wagner erweist und als hochbegabten und
mit allen Finessen der Kompositionstechnik vertrauten praktischen Musiker und
Könner bestätigt - ich denke zu letzterem an seine Hohenstaufenlieder u. a.,
aber insbesondere auch an seine "Harmonie- und Compositionslehre" mit der
Modulation und Enharmonik (Seite 83) und dem doppelten Kontrapunkt und der
Doppelfuge, - so hat er gerade als "Pädagoge" nicht davon Gebrauch gemacht, um
über die Köpfe hinwegzukomponieren, sondern hat sich bewußt in den Grenzen
nicht nur eigener solider beherrschter Gebiete, sondern auch in den Grenzen der
Aufnahmefähigkeit seiner ganzen engeren und weiteren Umgebung gehalten,
wirklich in der Beschränkung sich als Meister zeigend. Man könnte vielleicht
sagen, daß ihm drei Forderungen selbstverständlich waren: l. die Möglichkeit
der praktischen Ausführung, 2. die reine Freude der Beteiligten, d. h. der
Ausführenden sowie aller Zuhörer, 3. die Gemeinsamkeit und Harmonie nicht der
Töne, sondern auch der Menschen selbst. Dazu trat als vierte
Selbstverständlichkeit die Einheit von Geistlich und Weltlich, die damals nach
der französischen Revolution und dem aufgekommenen Materialismus gar nicht
mehr selbstverständlich war. Als treuer Sohn der Kirche wie als feinsinniger
Mensch in der einfachen und in der vornehmen Gesellschaft fühlte er sie nicht
als Forderung, sondern als Tatsache. Ich mußte manchmal dabei denken an die
Entwicklung bei uns in unserer Jugendmusikbewegung, wie sie etwa Bischof
Stählin formulierte mit unseren drei Forderungen: l. Das Werk, d. h. das Lied
oder die Komposition wird ganz ernst genommen, 2. der Mensch wird ernst
genommen, der ganze Mensch nach Geist, Seele und Leib, d. h., wenn ich so sagen
darf, auch nach seiner Kapazität, seiner aktiven und passiven
Leistungsfähigkeit und Aufnahmefähigkeit, 3. die singende Gemeinschaft wird
ganz ernst genommen, und das, ob das nun in der Musikantengilde war oder in den
Finkensteiner Kreisen und Singgemeinden. Dazuhin trat auch bei uns und sogar
bei zunächst ganz neutralen ablehnenden Kreisen die vierte Haltung ganz
deutlich in Erscheinung, daß nicht nur das weltliche, sondern auch immer mehr
das geistliche Gut der ganzen Musikkultur die Ausführenden erfaßte und aufs
tiefste prägte. Ich glaube doch: die Gleichheit dieser vier Punkte in der
Entwicklung heute wie vor 150 Jahren ist mir eine Bestätigung dafür, daß
auch wir nicht auf einem unrichtigen Wege waren und sind. Ist doch auch letzten
Endes, wie wir Singbewegte herausgefunden haben, "Volkslied und Choral" der
gesunde Ausgang einer gesunden Entwicklung unserer ganzen deutschen, aber auch
europäischen Musikkultur geworden.
4. Einige Grunddaten aus Silchers Leben
Philipp Friedrich Silcher wurde in Schnait am 27.6. 1789 geboren und verstarb
am 26. 8. 1860 in Tübingen. Sein Vater Johann Karl Silcher aus Rommelshausen
war Schullehrer und Organist in Schnait - auch das erstere war damals noch im
Dienst der Kirche - starb aber schon 1795. Seine Mutter, Hedwig Henrike, geb.
Sprecher, aus Zuffenhausen verheiratete sich nach 1795 wieder, wie das damals
noch häufig Sitte und Notwendigkeit war, mit dem Amtsnachfolger Christian
Heinrich Weegmann, der den sechs Kindern im Alter von zwei bis zwölf Jahren
ein guter Stiefvater wurde. Nach handschriftlichen Notizen der Familie, die
nunmehr von Dr. Dahmem auch archivalisch belegt wurden, kam Friedrich Silcher
nach der Konfirmation als "Schul-incipient" (d. h. Schullehrerlehrling) nicht
zu Auberlen nach Fellbach, sondern verbrachte ab Michaelis 1803 seine ganze
dreijährige Lehrzeit in Geradstetten bei Lehrer Mayerlen. Hier genoß der für
Musik und Zeichnen besonders begabte junge Silcher nebenbei von dem ihm
zeitlebens befreundeten Sohn des dortigen Pfarrers Beringer, der seinem Vater
als Vikar Dienste leistete und später Pfarrer in Rommelsbach wurde, Unterricht
in verschiedenen Fächern, zum Beispiel Latein, und wurde in eifrigen
Gesprächen über Musik und Kunst in die Veit seiner Sehnsucht eingeführt. Von
besonderer Bedeutung war für seine musikalische Begabung hier der Sohn seines
Schullehrers, der ein vortrefflicher Klavierspieler war und besonders sehr
schön fantasieren konnte. Nicht genug damit: Der lernbegierige und für seinen
Beruf begeisterte Provisor ging hernach freiwillig nach Fellbach zu Nikolaus
Ferdinand Auberlen aus dem alten Kantorengeschlecht, dort tätig von 1756-1773,
von dem er als dessen bester Schüler in allen Dingen gefördert wurde,
besonders aber in der musikalischen Ausbildung im Geist des befreundeten Abtes
Vogler, des Schöpfers der "Mannheimer Schule". Mit 17 Jahren wurde Silcher
Hilfslehrer in Schorndorf. Hier wurde er vom Oberamtmann Freiherrn von
Berlichingen alsbald zum Hauslehrer seiner fünf Töchter angenommen und lernte
in diesem Haus viele bedeutende Personen kennen. Als Berlichingen 1809 nach
Ludwigsburg versetzt wurde, durfte Silcher mit als Mädchenschullehrer daselbst
und verkehrte dort mit den berühmten Komponisten Carl Maria von Weber, Johann
Nepomuk Hummel und Konradin Kreutzer. An dem zweiten Stadtpfarrer Bahnmaier
bekam er einen wirklichen Führer durch Leben, Kunst und Wissenschaft. Bald gab
er sich ganz seiner inneren Berufung zur Musik hin und wurde 1815 in Stuttgart,
wohnhaft im Hause des Klavierfabrikanten Schiedmayer, ein gesuchter Musiklehrer
für die besten Stuttgarter Familien. Bahnmaier war inzwischen Professor für
Praktische Theologie in Tübingen geworden und erreichte beim Senat der
Universität die Neuerrichtung der Stelle eines "Musiklehrers, zugleich für
den Unterricht der Seminaristen" für Friedrich Silcher. So fand dieser sein
bleibendes Lebensziel: ab 3.10.1817 war er Musiklehrer und Musikdirektor an der
Universität Tübingen. Hier in Tübingen fand er auch 1822 sein
Familienglück. Am Marktplatz zu Tübingen im Hause (jetzt Kaufhaus
Schloßberg) des angesehenen Kaufmanns G. L. Enslin und der Friederike, geb.
Mohr. gab es 1822 zwei Hochzeiten: Die erst achtzehnjährige jüngere Tochter
Rosine Luise durfte sich am 19. Februar unser Musikdirektor Silcher heimholen,
und am 13. Oktober war die Hochzeit der älteren Friederike mit dem Diakon
Dörner in Herrenberg, dem späteren Dekan in Urach.
Ein wunderschönes reiches Familienleben durfte die Familie durch
Jahrzehnte hindurch haben. Drei prächtig gedeihende Kinder, Karl, Luise und
Julie wurden ihnen geschenkt. Karl wurde Theologe, war zwei Jahre Vikar bei
seinem Onkel Mohr in Ehningen, dann Pfarrer in Höfen, Luise verheiratete sich
mit Adolf Hecker, Amtmann in Nürtingen, Julie mit Gustav Günzler, zuletzt
Pfarrer in Großsachsenheim. Von ihnen allen lebt noch eine große und
leistungsfähige Nachkommenschaft mit den Namen Dorn, Umfried, Kücklich,
Silcher, Reiniger, Meyer, Günzler, Herwig sowie Hartenstein und Siegle.
Köstlin selbst, sein erster Biograf (s. u.), schreibt zusammenfassend: "42
Jahre hat Silcher in Tübingen gewirkt. Äußerlich blieb er sich fast immer
gleich: stets erschien er in schwarzem Rock und weißer Halsbinde; die
Gesichtsfarbe war immer frisch, der Blick hell." "Er starb am 26. 8. 1860. Als
seine irdische Hülle zu Grab getragen wurde, mußte man sich sagen: Kaum ist
je ein akademischer Lehrer so von der ungeteilten Liebe und Anhänglichkeit der
akademischen Jugend getragen worden, wie dieser ehemals' mit Vorurteil
aufgenommene frühere Schulgehilfe."
5. Silchers Werk und Aufbau in Tübingen
Selten ist so überaus glücklich der rechte Mann an den rechten Platz
gekommen, wie es mit Silcher und der Musenstadt Tübingen geschehen ist. Man
muß beides sagen: Unser Friedrich Silcher wäre nicht der Mann geworden, der
er wurde, ohne Tübingen. Und Tübingen wäre in seiner Geschichte und sogar in
seiner Gegenwart nicht unser Tübingen mit seinem Vielklang und der Harmonie
des wissenschaftlichen und musischen Lebens, der städtischen Kultur und der
wundersamen Natur, der Verbundenheit der Männer der Faust mit denen der Stirn
und denen des Herzens, und der Männer und Frauen untereinander in Lieben und
Leiden, ohne Friedrich Silcher und sein Werk und die Ausstrahlung seines
Werkes. Das alles, trotzdem von beiden Seiten große Hindernisse aufgetürmt
waren: Man wußte ja in Tübingen, der Akademikerstadt, daß ein ganzer
Außenseiter herkommen sollte, kein Gelehrter, sondern ein Lehrer, jung mit 28
Jahren, der sich zwar mit Gesangs- und Klavierstunden abgegeben hatte, aber
weder mit Orchesterinstrumenten noch als Dirigent von Gesangs- oder gar von
Orchestervereinigungen Übung hatte, und man war sichtlich mit Recht nicht
allzu aufnahmebereit. Und Silcher, der eigentlich stets einfache und damals
schüchterne und ängstliche Mann mußte sich auf einen nicht leichten Stand
bei der akademischen Jugend und Gelehrtenschaft gefaßt machen. Er fühlte das
auch und hat sogar nach bereits über einjähriger Tätigkeit in Tübingen sich
um die erledigte Stiftsorganistenstelle in Stuttgart beworben, allerdings im
richtigen Gefühl diese Bewerbung dann doch wieder zurückgezogen. Als es im
Oktober 1817 zuerst Zeit wurde, der Berufung nach Tübingen Folge zu leisten,
mußte hinter seinem Rücken ein Gefährt vor das seitherige Wohnhaus in
Stuttgart bestellt werden, und sein Gepäck wurde einfach aufgeladen, ja er
selbst mit Gewalt von seinem Bruder in den Wagen gebracht und so fortgeschafft
nach Tübingen. Silcher hat das selbst oft erzählt, aber nie, ohne
hinzuzusetzen, daß nachher nichts mehr imstande gewesen wäre, ihn von
Tübingen, das er so lieb gewann, wieder hinwegzubringen. So ward Silcher nun
also doch Tübinger von 1817 bis zum Tode 1860, durch 43. Jahre hindurch.
Was hat Silcher nun hier geleistet? Er mußte ja eigentlich das ganze
Musikleben auf freiwilliger Grundlage durch eigene Initiative aufbauen. Man
weiß nichts zu berichten, daß irgendwelche Pflichten und -Verpflichtungen zu
ihm führen mußten, - für kein Examen war eine vorausgehende Musikerziehung
vorgeschrieben, kein Glied der Bevölkerung und kein Student "mußte Musik
treiben". Selbst die Stiftler, als die künftigen Pfarrer und Schulinspektoren,
in der nachreformatorischen Zeit zu guter Kirchenmusik angehalten, waren
infolge der allgemeinen Zeitströmungen auf einem erschreckenden Tiefpunkt
angelangt. Nur der Musikdirektor S. G. Aberlen, aus der Fellbacher Familie, ab
1800 Seminarmusiklehrer in Bebenhausen, konnte in Tübingen Winterkonzerte mit
freiwilligen Kräften aufführen, - sogar die Schöpfung von Haydn, aber die
Verlegung des Seminars nach Maulbronn machte dem ein jähes Ende. Aber der
Boden lechzte doch nach befruchtendem Regen. Darum hat der Senat der
Universität einen Musiklehrer gewünscht, und darum fand dieser auch in dem
wirklich brachliegenden Land eine fruchtbare Tätigkeit. Silcher erließ am 19.
November 1817 im Stift eine Aufforderung zur Teilnahme an dem von ihm seit 3.
Oktober eröffneten Gesangsunterricht. Es meldeten sich freiwillig 43 Stiftler.
Mit diesen sang er jeden Sonntag vierstimmige Choräle in der Schloßkirche.
Das war ein Anfang. Mit seiner Freundlichkeit und Klugheit und Beharrlichkeit
gelang es Silcher, nun auch einen gemischten Chor als Kirchenchor zu bekommen,
und schon 1824 konnte er nach Fellbach an W. A. Aberlen über "unsern Verein"
von "300 Singenden" schreiben, die als Tübinger Kirchenchor im Gottesdienst
sangen. Welche Mühe und welche Freude! Welche trefflichen Dienste hat so "der
liebe Mann", wie man .ihn oft nannte, damit seiner Gemeinde und Kirche
geleistet mit jenen Motetten und Psalmen bis zu seinem Tode! Neben den
einfacheren Kirchenchören aber gelang es ihm im Laufe der Zeit auch ganz
hochstehende große Darbietungen einzuüben und zu den großen Meistern zu
führen: 1839 wurde hierfür eigens ein "Oratorienverein" gegründet. (NB! Erst
1847 folgte in Stuttgart der "Verein für klassische Kirchenmusik" dem
Tübinger Vorbild nach!) Vorstand wurde Professor Palmer; unter den aktiven
Mitgliedern war schon Silchers 14jährige Tochter Luise. Der Oratorienverein
gab bis zu Silchers Tod 73 Konzerte unter Silcher. Von Händel wurden 17
Oratorien aufgeführt (Messias fünf mal, Judas Makabäus viermal), von dem
damals neuen Mendelssohn 23 Konzerte (siebenmal Ellas, viermal Paulus), eine
leider damals unvollständige Matthäuspassion von Bach, dann die Oratorien von
Haydn, die Requien von Mozart und Cherubini, die letzten Dinge von Spohr u. a.
m. Daß daneben die ganz alten Meister Eccard, Prätorius, Hassler,
Rosenmüller, aber auch Palestrina, Allegri (= Rom) Durante (= Neapel)
eingeübt würden und dann wieder moderne Musik, außer Mendelssohn etwa C. M.
von Weber und sogar Richard Wagner, zeugt von der Weite des musikalischen
Könnens und Erziehens durch den Meister. Dies alles, solche großartigen
Aufführungen und die Einübungen hierfür, war für Silcher aber nur ein Teil
des Einsatzes seiner Kraft. Es muß hier betont werden: Gott in der Musik zu
dienen, war ihm ein selbstverständliches heiliges Amt. Natürlich mit dem
Höchsten, aber auch ebenso klar mit den täglichen und sonntäglich gegebenen
Mitteln die dem einfachen Volk und der einfachen und natürlich heranwachsenden
Jugend möglich und adäquat sind. So hat er es im eignen Elternhaus, so im
Hause Auberlen gelernt und so zeitlebens gehalten: Gott zu loben, das ist unser
Amt. Darum seine tätige Mitarbeit in allen Fragen des lebendigen
Kirchengesangs - dieser war ja von der Aufklärung her so langsam und feierlich
(siehe die Vorrede im Choralbuch von Knecht 1799), - darum seine
Streitschriften für und dann gegen das vierstimmige Gemeindesingen, darum
seine Mitarbeit an den Choralbüchern und seine Herausgabe von Chorälen, zwei-
und drei- und vierstimmig, sein sogar noch bis heute vorbildliches
Orgelspielbuch 1844 (mit Kocher und Frech), das von großem Verständnis und
großer Kenntnis der Orgelliteratur zeugt, mit Kompositionen von Bach und
Händel über Mozart bis zu Mendelssohn, und das gleichzeitig Rücksicht nimmt
auf die Spielbarkeit durch Landschullehrer und einfache Organisten und einfache
Orgeln. Darum endlich seine erst 1862 erschienene "Geschichte des evangelischen
Kirchengesangs" aus seinen gehaltenen Vorlesungen, die Zeugnis davon gibt, wie
sehr ihm die Hebung des Kirchengesangs bis zum Ende am Herzen lag. Gleichzeitig
aber auch war er der geborene Pädagoge. Unvergänglich sind seine vielen
Kinderlieder, alle erst herausgegeben, gedruckt oder auch erst komponiert,
als er es längst nicht mehr mit Kindern in seinem Beruf zu tun hatte. Es blieb
seine große Liebe zu den Kindern bis an sein Ende und damit zusammen auch zum
einfachen Volk. Er hatte, wie vor ihm der große Luther, "dem Volk aufs Maul
geguckt", und er wußte, woran das Volk Freude hatte und was man ihm zumuten
durfte: einfache leitereigene, durchsichtige und doch gehaltvolle Harmonien und
Melodien. Er schreibt selbst: "Ich sehe recht deutlich ein, wie sehr es noch in
Schulen und Kirchen an einer Gattung von Gesängen fehlt, welche teils ohne
Begleitung gesungen werden können, teils aber und vorzüglich mehr aus
leitereigenen Tönen bestehen, wo alles Fremdartige, was nicht im angeborenen
Gefühl des Sängers liegt, entfernt ist, und welche bei all dieser Einfachheit
und Melodie und Harmonie doch noch mannichfaltig fortschreiten. Solche Gesänge
wären alsdann auch recht geeignet, mit Leichtigkeit von einer guten Anzahl
Sänger ausgeführt zu werden." (Köstlin, Seite 39). Damit hängt zusammen die
Größe seines Hauptwerkes, nämlich die Sammlung und Sichtung und Schaffung
unzähliger Volkslieder, die er lebendig machte durch seine Sätze fürs Haus,
ein- und zweistimmig, mit Klavier oder Guitarre, und ganz besonders für die
Studenten und Männer vierstimmig gesetzt. Und sie wurden lebendig nicht nur
durch Schrift und Satz und Druck, sondern durch das lebendige Erproben von Mund
zu Mund zunächst in Tübingen selbst in seinem ebenfalls von ihm begründeten
Verein der "Akademischen Liedertafel" (ab 1829) und in ganz schlichten privaten
Kreisen praktisch gesungen und verlebendigt. Und siehe da, diese flogen weiter
von Mund zu Mund in Tübingen, im Schwabenland, in allen deutschen Gauen, bis
an den englischen Hof und hinüber in die Neue Welt (s. o.). Sie leben und
werden leben. Auch seine selbstkomponierten "Volkslieder" leben wie die echten
von ihm gesammelten, z. B. "Ännchen von Tharau", "Zu Straßburg auf
der Schanz", "Es geht bei gedämpfter Trommel Klang", "Morgen
muß ich fort von hier", "Loreley", "Nun leb wohl, du kleine
Gasse", "Am Neckar", "Ach du klarblauer Himmel" u. a.
Was ist nun wohl das Geheimnis dieser Volkslieder? Was ist das
Volkslied, von dem man zumeist nicht weiß, wer es ersann, und wo es herkam? Es
enthält die ganze Welt, alles, was dem einzelnen Menschenkind lebendig wird,
wenn es sein Leben ganz und voll lebt. Die Volkslieder sind wie eine Wiese mit
unzähligen Blumen, manche gleich, viele aber ganz verschieden, groß und
klein, leuchtend in allen Farben, Kraut und Unkraut, lebenskräftig zum Licht
drängend, andere schwach und ersterbend, jedoch samenspendend für die
Zukunft: alles auf einem Platz scheinbar durcheinander und doch eine große
wunderbare Schöpfungseinheit, die so sein muß. Ganz so umfassen die Lieder
des Volkes das ganze Menschenleben des einzelnen wie das Volksleben in den
Höhen und Tiefen, Weltliches und Geistliches durcheinandergewoben, Freud und
Leid, Werben und Entsagen, Träumen und Schaffen, Erfüllung und Enttäuschung,
Arbeit und Vergnügen, Leben und Lebenlassen, aber auch Vernichtung und harten
Kampf ums Dasein. Wer kann das ausschöpfen? Die Größe eines Silcher bestand
darin, unter völligem Zurücktreten der eigenen Person dieses sprudelnde Leben
einzufangen, sorglich zu hüten und zu pflegen, neu zu erwecken und zu
stärken. "Deutsch sein, heißt, eine Sache um ihrer selbst willen tun" (R.
Wagner). Mit ganzer Kraft und unermüdlichem Fleiß setzte er sich ein: ein vom
Schöpfergott gesegnetes Leben. Trotz diesem "Zurücktreten der eigenen Person"
ist die ganze Persönlichkeit Silchers gerade dieser Aufgabe gegenüber
adäquat gewesen, und es läßt sich Werk und Person bei ihm nie trennen. Dem
Volke zu dienen, war seine Freude und sein Wesen, jedermann mußte dieses
Geistes einen Hauch verspüren und kam so in den Zauber seiner schlichten,
warmen und echten Persönlichkeit. Es würde hier viel zu weit führen, dies in
den vielen einzelnen Geschichten und Anekdoten, die davon erzählen, zu
belegen. Reichstes Wissen, auch musikwissenschaftlich, vereinigt mit
selbstverständlicher Selbstlosigkeit und Bescheidenheit, mit Liebe und Humor,
haben es bewirkt, daß nicht nur der Boden der Universitätsstadt, sondern auch
des ganzen Vaterlandes aufnahmefähig wurde für das köstliche Gut edlen
Samens, der seine Früchte tragen sollte bis zum heutigen Tag und hoffentlich
darüber hinaus.
"Aus dem Boden ists gedrungen,
Vögel habens nachgesungen,
von den Zweigen klingt es dort,
Lüfte tragens weiter fort."
(Hermann Kurz zu Heft VII der Volkslieder für Männerstimmen von Fr.
Silcher.)
6. Zusammenfassung. Silchers Werke. Quellen. Museum
a) Auszeichnungen und Werke Wer war Philipp Friedrich Silcher?
Dorfschulmeisterssohn aus Schnait im Remstal. Doktor der Philosophie
ehrenhalber. Ritter des Königl. Württ. Friedrichsordens.
Universitätsmusikdirektor und Stiftsmusikdirektor in Tübingen in einer
Person. Leiter der Liedertafel und des Oratorienvereins Tübingen.
Ehrenmitglied des Kölner Männergesangvereins, des Wiener
Männergesangvereins, der Vereine in Zürich und Braunschweig, des
Schwäbischen Sängerbundes.
Verfasser und Herausgeber von zwei Württ. Choralbüchern (1828 und
1842), von 94 Melodien zum Württ. Choralbuch, dreistimmig (1819 und 1824), mit
Anleitung zum Choralgesang, von 36 eigenen Chorälen, des bedeutenden
Orgelspielbuches von Kocher, Silcher und Frech (1844), der Geschichte des
evangelischen Kirchengesangs (1862), der Harmonie- und Kompositionslehre
(1851), der Gesanglehre für Volksschulen (1845), von 72 Kinderliedern, von 41
ausländischen Volksmelodien, der 22 "Stimmen der Völker", der 12 Melodien
Beethovens aus Sonaten und Sinfonien, zu Liedern eingerichtet, der 139 Lieder
für Gesang und Klavier, Hohenstaufenlieder, Justinus-Kerner-Lieder, Konrad
Wiederhold, Frithjof, Tod des Aias von Sophokkles u. a., und insbesondere der
180 Volkslieder für vier Männerstimmen (darunter 43 selbstkomponierte), des
Singspiels "Die kleine Lautenspielerin" von Chr. Schmid sowie von vielem
anderem mehr.
b) Literatur
Biographien:
Heinrich Adolf Köstlin, Carl Maria von Weber, Friedrich Silcher. Verlag Levy
und Müller, Stuttgart 1877.
Ad. Prümers, Philipp Friedrich Silcher, der Meister des deutschen Volksliedes,
Alb. Auer-Verlag, Stuttgart 1910.
A. Bopp, Friedrich Silcher, Verlag von W. Spemann, Stuttgart 1916. August
Lämmle, Friedrich Silcher, sein Leben und seine Lieder, Stieglitz-Verlag E.
Handle, Mühlacker 1956 (mit Beiträgen von Hugo Hermann und Hermann Dahmen).
Werke:
Friedrich Silcher, Ausgewählte Werke; Kritische Neuausgabe im Auftrag des
Schwäbischen Sängerbundes herausgegeben von Hermann Josef Dahmen, 10 Hefte,
Edition Nagel 1211-1220, Nagels Verlag Kassel (Bärenreiter) 1960.
Als Ergänzung dieser Reihe ist eine ausführliche Biographie unter Mitwirkung
verschiedener Autoren angekündigt.
Friedrich Silcher in seinen Liedern, ausgewählt und herausgegeben von
Fritz Jöde, Möseler Verlag Wolfenbüttel, 1960. Ein kleines, billiges und
praktisches Heft. Die alten Ausgaben, besonders die vierstimmigen
Männerchöre, im Originalverlag bei Laupp, Tübingen, sind seinerzeit, wohl
1924 an Auer Verlag, Stuttgart, und von da 1944 an Lausch und Zweigle,
Stuttgart, übergegangen und seit der Freigabe auch von anderen Verlagen
nachgedruckt worden, wie Eulenburg, Irisverlag u. a.
Kleinere Aufsätze:
P. Löffler, Aus dem Leben Friedrich Silchers, in unseren Tübinger Blättern
1933.
H. A. Metzger, Die Bedeutung Silchers für die württ. Kirchenmusik,
Württ. Blätter für Kirchenmusik 1939, Seite 141-147. Aufsätze des
Verfassers in den Württ. Blättern für Kirchenmusik 4, 1960, im Schwäbischen
Heimatkalender 1960 sowie im Schwäbischen Tagblatt, 11. 6.1960.
Wer Freude hat an Romanen, die "Dichtung und Wahrheit" bringen und darum
von der Familie und Verwandtschaft nicht zu sehr geschätzt sind, dem seien
genannt:
Max Schilling, ". . . Hier sind die starken Wurzeln deiner Kraft!", Verlag der
Schwäbischen Sängerzeitung, Heinrich Fink, Stuttgart 1926.
Otto Lautenschlager, Im Kreise der Lieben, Deutsche Verlagsanstalt
Stuttgart 1949.
Bilderalbum : Silcher, Bilder aus seinem Leben, Landesanstalt für
Erziehung und Unterricht, Stuttgart 1960. (61 Bilder, ausgewählt von Philipp
Harden-Rauch. Text des Lebensgangs, Seite 4-14: H. J. Dahmen.) Unter besonderem
Mitwirken des Silcher-Museums Schnait.
c) Silcher-Museum
Eigentlich meines Erachtens viel eindrucksvoller als die Literatur über unsern
Meister wäre ein persönlicher Besuch im Silchermuseum in Schnait im Remstal.
Dort im Geburtshaus Silchers, dem alten Schulhaus, hat einst der "Schwäbische
Sängerbund" auf Veranlassung und mit ganz persönlichem Einsatz von Professor
Emil Fladt in Stuttgart 1912 ein lebendiges Denkmal geschaffen, das 1935
erneuert und erweitert und bis heute von seinem unermüdlichen Kustos
Lachenmann zu einem ausgezeichneten, umfassenden, anschaulichen und lebendigen
Zeugnis gestaltet worden ist. Wir finden dort unzählige Bilder, Noten,
Handschriften und Drucke von und über Silcher, ebenso wie die wichtigsten
Werke des Meisters in guten lebendigen Wiedergaben auf Tonband. Hier werden wir
ehrfürchtig vor dem Talent und dem Fleiß und der Leistung und Bedeutung
dieses liebenswerten Mannes.
Hier muß uns das Herz aufgehen in ehrlicher Liebe zu dem Meister. Von
seinem Erbe zehrt bis heute nicht nur Tübingen und Württemberg, zumal in den
in 43 Jahren von ihm persönlich angerufenen und begeisterten Pfarrern,
Lateinpräceptoren und ändern akademischen Führern des Landes. Vielmehr darf
und soll darüber hinaus das deutsche Volk in allen Schichten, ja sogar die
"Welt" unvergängliche natürliche Freude und wirkliche Erquickung haben oder
doch immer wieder neu lernen. "Was du ererbt von deinen Vätern hast, erwirb
es, um es zu besitzen." (Goethe.)
Es wird immer gelten, was Ottilie Wildermuth 14 Jahre nach Silchers Tode
schrieb:
"Die alten goldnen Lieder, die Klänge aus Volkes Mund, du hast sie
gefaßt die Töne und gabst sie der Jugend kund, daß neu ein Singen und
Klingen in Berg und Wald erwacht: Drum sei in Ehren und Treuen des Meisters der
Töne gedacht."