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Gesprächskreis Ehemalige
Synagoge Haigerloch



Einrichtungen der jüdischen Gemeinde

Schon die im 16. Jahrhundert in Haigerloch lebenden Juden verfügten über Einrichtungen, die für die Religionsausübung von Bedeutung waren. Zu dieser Zeit waren bereits ein jüdischer Friedhof und eine „Judenschul" vorhanden. Mit dem Wachsen und der Verfestigung der Gemeinde im ausgehenden 18. und vor allem im 19. Jahrhundert kamen neue Einrichtungen hinzu.

"Judenschul" und Synagoge"

Über den ersten Betraum und die spätere Synagoge wird an anderer Stelle berichtet.

Der alte jüdische Friedhof

Alter Friedhof Bild: Jochen Gaus
Alter jüdischer Friedhof Weildorf

Rund drei Kilometer von Haigerloch entfernt liegt im Wald bei Weildorf der alte jüdische Friedhof. Gustav Spier, der letzte jüdische Lehrer von Haigerloch, schrieb in einem Zeitungsbeitrag 1929, "[...] der älteste erhaltene Grabstein auf dem "Guten Ort" trägt die Jahreszahl 5327 der jüdischen oder 1567 der bürgerlichen Zeitrechnung." Die erste schriftliche Quelle ist der Eintrag in der Renteirechnung des Jahres 1587: "Vom Schmay Juden Zinß ausser Ihrem Kirchhoff empfangen". Nachdem seit Beginn des 19. Jahrhunderts ein neuer Friedhof im Haag in Haigerloch eingerichtet worden war, kam es nur noch auf ausdrücklichen Wunsch vereinzelt zu Bestattungen auf dem alten Friedhof. Die letzte Beisetzung erfolgte im Jahr 1884.

Am 27. 5.1942 war die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland als Rechtsnachfolgerin der Jüdischen Gemeinde Haigerloch Eigentümerin des Friedhofs geworden. Nach deren Auflösung wurde ihr Vermögen, also auch der Friedhof durch das Deutsche Reich beschlagnahmt. Am 27.3.1945 [sic!] verkaufte das "Großdeutsche Reich (Reichsfinanzverwaltung)" den Friedhof an die Gemeinde Weildorf. Der Kaufpreis betrug 50 Reichsmark. Nach einem Restitutionsprozess nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Eigentum am alten jüdischen Friedhof unentgeltlich auf die Israelitische
Kultusvereinigung Württemberg und Hohenzollern in Stuttgart übertragen.
1979 konnten noch 15 Grabsteine und zwei größere Bruchstücke gefunden werden. Im Waldboden fanden sich zahlreiche Fundamente für Grabsteine.

Der jüdische Friedhof im Haag

Haag Friedhof Eingang Bild: solutions
Eingang zum Haagfriedhof

Wegen der abseitigen Lage des alten Friedhofs bei Weildorf bemühte sich die Jüdische Gemeinde schon im ausgehenden 18. Jahrhundert um einen neuen Friedhof bei ihrem Wohngebiet im Haag. Im Jahre 1802 konnte sie das abfallende, landwirtschaftlich nicht zu nutzende Gelände unterhalb des Haags als Platz für den neuen Friedhof kaufen. Am 6. Januar 1803 erfolgte die erste Bestattung "im neuen Begräbniß". Die letzten Beerdigungen vor der Deportation fanden im Jahre 1942 statt. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es noch zwei Beisetzungen auf dem Jüdischen Friedhof. Bereits im September 1945 wurde ein Haigerlocher Jude, der aus dem KZ nach Haigerloch zurückgekehrt war, hier beigesetzt. 1977 wurde auf seinen ausdrücklichen Wunsch ein 1938 emigrierter und 1971 nach Deutschland zurückgekehrter Jude auf dem Heimatfriedhof beerdigt.

Insgesamt sind auf dem Haagfriedhof 660 Gräber. Viele der Grabsteine aus Sandstein sind inzwischen durch Witterungseinflüsse stark in Mitleidenschaft gezogen. Die älteren Grabsteine weisen lediglich eine hebräische Inschrift auf. Wohl im Zusammenhang mit der zunehmenden Assimilierung der Juden wurden die Inschriften später zweisprachig, in Deutsch und Hebräisch gehalten. Schließlich wurde bei vielen Grabsteinen nur noch ein deutscher Text angebracht. Auffallend ist der Reichtum an Symbolen, mit denen die Grabsteine verziert sind. Wegen des häufigen Vorkommens des Familiennamens Levi in Haigerloch findet man naturgemäß auch häufig den Wasserkrug als Zeichen für einen Abkömmling aus dem Stamme Levi. Die Leviten unterstützten die Priester beim Opferdienst und waren vor allem für die rituelle Reinigung zuständig. Auch das aufgeschlagene Buch, der Davidstern, die geknickte Blume oder der Palmzweig sind oft zu sehen. Eher selten sind aber das Messer, als Zeichen für das Amt eines Beschneiders, oder das Widderhorn als Hinweis darauf, dass der Verstorbene am Neujahrstag oder Versöhnungstag den Schofar in der Synagoge blasen durfte.

Friedhof innen Bild: Jochen Gaus
Im Haagfriedhof

Nach der Zwangseingliederung der Jüdischen Gemeinde Haigerloch in die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland 1942 bot diese weisungsgemäß der Stadt Haigerloch den Haagfriedhof zum Kauf an und am 16.3.1943 kaufte die Stadt den Friedhof.

Ein Restitutionsverfahren der Israelitischen Kultusvereinigung in Württemberg endete 1950 mit einem Vergleich. Die Stadt gab das Eigentum an die Israelitische Kultusvereinigung zurück. Heute werden beide jüdischen Friedhöfe von der Stadt Haigerloch regelmäßig gepflegt und instand gehalten. Die Jüdische Gemeinde Haigerloch besteht seit 60 Jahren nicht mehr. Bei vielen Zeitgenossen schon fast in Vergessenheit geraten, ist sie so selbst ein Beispiel der Vergänglichkeit geworden. Möge der Vers 12,7 aus Kohelet, der über dem Eingang zum Haagfriedhof steht, dem Gläubigen – Jude oder Nichtjude – von einer anderen Unvergänglichkeit künden: "Der Staub muss wieder zu der Erde kommen, wie er gewesen ist, und der Geist wieder zu Gott, der ihn gegeben hat."

Die Mikwe

Wohl schon gleichzeitig mit der Synagoge oder kurz danach dürfte südlich der Synagoge eine Mikwe entstanden sein. In ihr nahmen die Juden die rituellen Reinigungen vor. Schon 1833 aber entsprach das Bad nicht mehr den Anforderungen. Es wurde Klage geführt: "[...] auch ist der Badkasten gerissen und haltet das Wasser nicht mehr". Ab 1835 ließ das Oberamt Haigerloch Pläne über eine "bessere Einrichtung des Judenbades" ausarbeiten. Spätestens seit 1845 stand eine neu errichtete Mikwe an der Südwestseite der Synagoge zur Verfügung.

Hinsichtlich der Eigentumsverhältnisse teilte die Mikwe jeweils das Schicksal der Synagoge. 1939 wurde sie von der Stadt zusammen mit der Synagoge gekauft. Nach dem Weltkrieg an die Israelitische Kultusvereinigung Württemberg gelangt, kam sie durch Kauf 1951 in Privatbesitz. Bis zum Jahr 1999 wurde das kleine Gebäude für Heizzwecke genützt.

Die jüdische Volksschule (1823 – 1939)

Vor 1823 gab es in Hohenzollern kein geordnetes jüdisches Schulwesen. Nur Wanderlehrer, Rabbiner oder Vorsänger erteilten den jüdischen Kindern einen aus heutiger Sicht zumeist völlig unzureichenden Unterricht. Erst durch das "Judengesetz" vom 9.8.1837 wurde die allgemeine Schulordnung auch auf die jüdischen Gemeinden in Sigmaringen-Hohenzollern übertragen. Die Lehrer hatten sich einer Staatsprüfung zu unterziehen und wurden von der Regierung ernannt.

Bereits 1823 hatte Salomon Neuburger, der 1822 die Prüfung in Rottweil abgelegt hatte, mit Unterstützung der Regierung in Haigerloch eine jüdische Elementarschule eingerichtet, die noch im gleichen Jahr staatlich anerkannt wurde. Die jüdische Schule befand sich zunächst über der Wohnung des Vorsängers in einem an die Synagoge angebauten Haus. Dieses musste der Synagogenerweiterung von 1839/1840 weichen. Der Schulraum war für die Zahl der Kinder viel zu klein. Belüftung und Heizung waren völlig unzureichend. Im Winter ließen sich die zugefrorenen Fenster oft wochenlang nicht öffnen. Von 1844 bis 1876 befand sich die jüdische Schule in dem neu errichteten jüdischen Gemeindehaus. Von 1876 bis 1938 hatte die Schule ein eigenes Schulzimmer neben der katholischen und der evangelischen Schule im Rathaus. 1938 wurde sie in das jüdische Gemeindehaus zurückverlegt. Mit Wirkung vom 1.10.1939 wurde die jüdische Volksschule durch den Regierungspräsidenten der Hohenzollerischen Lande aufgehoben. Mit Genehmigung der Geheimen Staatspolizei wurden die Schulgegenstände im Namen der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland durch die Jüdische Kultusvereinigung Württemberg im Juni 1942 für 20 Reichsmark verkauft.

1924 hatten noch 22 Schüler die jüdische Schule besucht, 1938 waren es noch neun und 1939 nur noch fünf Schüler. Ihren Höchststand hatte die Schule 1858 mit 90 Schülern erreicht. Erster ausgebildeter Lehrer war Samuel Neuburger (1823–1846), ihm folgten bis 1857 Rabbiner Maier Hilb und Provisor Berthold Neuburger. Die weiteren Lehrer waren Leopold Rosenstrauß (1857–1860), Meier Jakobi (1860–1878), Levi Speyer (1879–1907), Wilhelm Kahn (1907–1908), Louis Wallach (1908–1924) und Gustav Spier (1924–1939). Er wurde zum 30.6.1939 in den Ruhestand versetzt, 1941 nach Riga deportiert und ging an den furchtbaren Lagerbedingungen zugrunde. Auch seine Frau, sein Sohn und seine Eltern wurden in den Konzentrationslagern ermordet. Lediglich seine Tochter konnte im Februar 1939 nach England emigrieren. Sie lebt heute in Israel.

Ein geplantes Lehrhaus (Beth-Hamidrasch)

Gegen Ende der 1860er Jahre plante Jakob Regensburger, ein Mitglied der Jüdischen Gemeinde Haigerloch, am Ort ein talmudisches Lehrhaus (Beth-Hamidrasch) aufzubauen. Hier sollten junge jüdische Männer eine theologische Ausbildung erhalten, als Vorstufe einer späteren Tätigkeit im Rabbineramt. Die Gründungsvorbereitungen waren abgeschlossen und die Zustimmung der Behörden lag vor, als ein plötzlicher Tod den Initiator ereilte. Damit kam das Projekt nicht mehr zur Ausführung.

Das Rabbinat Haigerloch (1820 – 1894)

Bereits im 17. Jahrhundert wird in Haigerloch ein Rabbiner erwähnt, der gleichzeitig auch Rabbiner in Hechingen war. Im 18. Jahrhundert unterstand die jüdische Gemeinde dem Rabbinat in Mühringen. Der Schutzbrief von 1780 stellte den Rabbiner oder Vorsänger von allen herrschaftlichen Abgaben frei. 1784 wurde Haigerloch von dem Rabbiner aus Hechingen versorgt. Mit Raphael Zivi hatte die Jüdische Gemeinde den ersten eigenen Rabbiner. Er war als „Unterrabbiner" dem Rabbinat Hechingen unterstellt und betrieb nebenher ein Gasthaus.

1820 wurde in Haigerloch ein eigenständiges Rabbinat errichtet, zu dem seit 1821 auch die Jüdische Gemeinde Dettensee gehörte. Erster Rabbiner war Raphael Zivi (1820–1836). Ihm folgte Rabbiner Maier Hilb (1836–1880), ein Freund und Studienkollege Berthold Auerbachs. Er hatte die Talmudschule in Hechingen besucht und an den Universitäten Heidelberg und Tübingen seine wissenschaftliche Ausbildung erhalten. Nach ihm amtierten als Rabbiner Dr. Joseph Ignatz Spitz (1880–1888) und Dr. Aron Wolf (1888–1894).

Ab 1894 war die Rabbinerstelle nicht mehr besetzt . Die Aufgaben des Rabbiners waren dem jeweiligen Lehrer der jüdischen Schule übertragen. Sie waren "organisch" mit der Lehrerstelle verbunden, der jeweilige Lehrer war zugleich Vorbeter und Rabbinatsverweser. Dies waren Lehrer Levi Speyer (1894-1907), Lehrer Louis Wallach (1908-1924) und Lehrer Gustav Spier (1924-1941). In rituellen Zweifelsfällen sollte der Bezirksrabbiner von Mühringen entscheiden. Wo das Rabbinat ursprünglich räumlich untergebracht war, ist nicht bekannt. Es liegt aber nahe, dass es in der Wohnung des jeweiligen Rabbiners seinen Raum hatte.

Kultuspersonal

Neben dem Rabbiner gab es einen Vorsänger (bereits 1762 erwähnt), den Vorbeter und einen Synagogendiener. Der Vorsängerdienst war häufig mit dem Dienst als Schullehrer verknüpft. Als Synagogendiener war Louis Kappenmacher bekannt, der über Jahrzehnte dieses Amt ausübte.

Das jüdische Gemeindehaus

Um den unzureichenden räumlichen Verhältnissen der Schule abzuhelfen, genehmigte die fürstliche Regierung 1841 den Neubau eines dreistöckigen Hauses: Im Erdgeschoss sollte die Schule untergebracht werden, die beiden darüber liegenden Stockwerke waren für die Wohnungen des Rabbiners und des Lehrers bestimmt. 1844 war das Gebäude bezugsfertig. Nach der Auslagerung der jüdischen Schule in das Rathaus waren in dem Haus die Wohnung des Lehrers und Rabbinatsverwesers, sowie eine weitere Wohnung untergebracht.

Von den Verwüstungen in der Pogromnacht 1938 war auch das jüdische Gemeindehaus stark betroffen. In den letzten Jahren des Bestehens der Jüdischen Gemeinde Haigerloch 1941/1942 diente das Gebäude als "Altersheim" für die jüdischen Einwohner und zur Aufnahme zwangsweise nach Haigerloch umgesiedelter Juden aus anderen württembergischen Städten.

Nach dem Erlöschen der Jüdischen Gemeinde Haigerloch und der Auflösung der Reichsvereinigung der Juden als Rechtsnachfolgerin wurde das Gebäude vom Deutschen Reich im Juni 1943 beschlagnahmt. Bereits im Oktober 1942 waren slowenische Ansiedlerfamilien mit 310 Personen aus dem Gebiet um Zagreb und Laibach in dem nach den Deportationen der Juden leer gewordenen Haag angesiedelt worden. Auch im jüdischen Gemeindehaus waren von der SS solche Ansiedler einquartiert worden. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren in dem Haus vorübergehend Heimatvertriebene untergebracht. Auf gerichtlichem Wege wurde das ehemalige jüdische Gemeindehaus an die "Jewish Trust Corporation for Germany Limited" übereignet, die das Gebäude 1955 an einen privaten Eigentümer verkaufte.

Metzgerei, Armenhaus, Gemeindebackküche

Im Schutzbrief von 1780 war den Juden die Erlaubnis zum Bau einer Metzgerei erteilt worden. Das kleine Schlachthaus („Judenmetzig"), das im späteren 19. Jahrhundert an einen anderen Standort unmittelbar bei der Synagoge verlegt wurde, diente zu Zeiten des NS-Regimes als Objekt für Luftschutzübungen der Feuerwehr, nach dem Zweiten Weltkrieg als Garage und wurde 1953 abgebrochen.

Bereits 1825 gab es im Wohnviertel Haag nach den Aufzeichnungen des Feuerkatasters ein Armenhaus und eine Gemeindebackküche. Die jeweiligen Gebäude standen im Eigentum der Jüdischen Gemeinde und befanden sich in unmittelbarer Nähe der Synagoge. Das Armenhaus diente in erster Linie der Beherbergung von umherziehenden jüdischen Bettlern, die hier eine Nacht verbringen durften, da ihnen ein Kontakt zu den christlichen Einwohnern verboten war. Die Gebäude gingen später in Privatbesitz über. Einzelheiten zu diesen Einrichtungen sind noch nicht erforscht.

Jüdische Gaststätte, Mazzenbäckerei

Eine jüdische Gaststätte (zuletzt die „Rose") sowie eine Mazzenbäckerei rundeten die „Infrastruktur" des jüdischen Wohnviertels ab.
Helmut Gabeli